Der kleinstmögliche Speicher
Die EPFL und die ETH Zürich führen Pionierversuche zur extremen Miniaturisierung von Datenträgern durch. Sie konnten damit eine Informationseinheit auf einem einzigen Atom speichern.
Wo können wir die Unmengen an täglich anfallenden digitalen Daten speichern? Bald werden die aktuellen Speichersysteme nicht mehr ausreichen. Das Mooresche Gesetz, wonach sich die Anzahl Transistoren eines Chips alle 18 Monate verdoppelt, wird zunehmend infrage gestellt. «Grundsätzlich sind noch rund zwanzig Schritte vorstellbar, bis wir schliesslich an eine definitive Grenze der Materie stossen: das Atom. Das entspricht etwa 30 bis 40 Jahren Miniaturisierungsarbeit», erklärt Christopher Lutz, Physiker bei IBM in Almaden (USA). Dieser Weg wurde nun experimentell in einem einzigen Schritt zurückgelegt – ein Meilenstein in einem aufstrebenden Forschungsgebiet.
2016 wiesen die Gruppen von Pietro Gambardella an der ETH Zürich und von Harald Brune an der EPFL nach, dass einzelne Holmium-Atome – ein Metall aus der Gruppe der seltenen Erden – auf bestimmten Flächen eine gewisse «magnetische Remanenz» aufweisen. Die festgestellte Restmagnetisierung eröffnete die Möglichkeit, Informationen zu speichern. Christopher Lutz bei IBM und Fabian Natterer, Forscher in der Gruppe um Harald Brune, konnten nun nachweisen, dass das Schreiben und Lesen von Information bei einzelnen Atomen möglich ist.
Auf ein einzelnes Atom schreiben
Eine Informationseinheit lässt sich auf einem Atom festhalten, wenn es gelingt, dessen Magnetisierung in einem bestimmten Sinn auszurichten, zum Beispiel nach oben oder unten. Nach demselben Prinzip funktionieren auch eine Festplatte, welche die Daten in Bits, also 0 oder 1, ablegt. «Wir haben ein Rastertunnelmikroskop, oder STM, verwendet», erklärt Natterer. Eine feine Spitze wird dabei über die Fläche geführt und tastet diese aufs Atom genau ab. Über ein Eisenatom an der äussersten Spitze kann durch die Holmium-Atome gezielt ein wenig polarisierender Strom geschickt werden, der das magnetische Moment ausrichtet und damit ein Bit speichert. «Und dies dauerhaft», betont Lutz.
Für das Lesen der Information sind gemäss dem Physiker bei IBM zwei Methoden möglich. «Die erste Methode beruht ebenfalls auf elektrischem Strom, der je nach dem magnetischen Zustand des Holmium-Atoms – also je nach der gespeicherten Information – besser oder schlechter fliesst.» Eine vergleichbare Methode werde bei den gängigen Festplatten angewendet, ergänzt Natterer. «Bei der zweiten Methode lässt sich das vom Holmium-Atom erzeugte magnetische Feld in einem bestimmten Abstand feststellen», fügt Lutz an.
Die Anwendung dieser Technologien ist anspruchsvoll und auf bestimmte Bedingungen beschränkt. «Das Ganze funktioniert nur bei einer Temperatur unter 4°K (–269°C) und im Ultrahochvakuum», fährt Lutz fort. «Das System ist sehr empfindlich, weil sich die Holmium-Atome auf der Oberfläche bewegen können», bemerkt Gambardella von der ETH Zürich. So empfindlich, dass intensiv nach weiteren Wegen gesucht wird, um kleinste Einheiten als Informationsträger zu nutzen.
Molekulare Informationen
Ein anderer Ansatz beruht auf magnetisierten Molekülen. «Wir verwenden Komplexe mit Dysprosium (Dy), das ebenfalls zu den seltenen Erden gehört», erklärt Florian Allouche, Chemiker an der ETH Zürich. «Diese Moleküle weisen eigentlich keine Gedächtniseigenschaften auf. Wenn man sie aber auf Siliziumdioxid überträgt und so behandelt, dass sich die Dy-Atome auf der Oberfläche verteilen und elektrische Ladungen aufweisen, zeigen diese bei einer tiefen Temperatur magnetische Remanenz.» Die Vorteile dieser Technik? «Die einfache Herstellung und Beschreibung sowie die Möglichkeiten zur Übertragung auf verschiedene Oberflächen.» Der Nachteil? «Noch fehlt es an einer präzisen Struktur für die magnetischen Orte.»
All diese Wissenschaftler sind sich darin einig, dass die heute verwendeten Speichersysteme nicht in nächster Zukunft durch atomare Systeme ersetzt werden können. «Aber die grundsätzliche Machbarkeit ist bewiesen», findet Lutz. «Diese Entdeckung wird dabei helfen, Materie auf atomarer Ebene zu untersuchen», meint Natterer. «Die Magnetisierung in diesem Massstab könnte zu exotischen Materialien führen.» Gambardella wiederum sieht mögliche Anwendungen im Gebiet der Quantencomputer. Für Lutz besteht das Ziel seiner Arbeit darin, «einen möglichst grossen Sprung in die Zukunft zu machen.»
Olivier Dessibourg ist freier Wissenschaftsjournalist in Paris.
F. D. Natterer et al.: Reading and writing single-atom magnets. Nature (2017)F. Allouche et al.: Magnetic Memory from Site Isolated Dy(III) on Silica Materials. ACS Central Science (2017)