Computersimulationen optimieren ineffiziente Windfarmen
Aktuell schöpfen viele der grossen Windfarmen ihre eigentliche Kapazität nicht aus. Forschende versuchen den Aufbau von Parks zu verbessern.
Bislang gab es beim Ausbau der Windenergie nur einen Trend: Die Räder wurden immer höher, die Farmen grösser. An manchen Orten wie in China am Rand der Wüste Gobi oder im amerikanischen Wyoming stehen mehr als tausend Windräder in endlosen Reihen in der Landschaft. Angesichts der stetig steigenden Gesamtleistung geriet dabei in den Hintergrund, dass gerade die Mega-Parks in der Regel ihre maximale Kapazität längst nicht ausschöpfen. Vorne stehende Turbinen erzeugen Luftwirbel, können so je nach Windrichtung nachfolgende Anlagen abschatten und deren Leistung mindern. Experten sprechen von Verlusten von bis zu 40 Prozent. Werte, die Michael Lehning von der EPFL für möglich hält.
Das Optimierungspotential grosser Windfarmen ist also immens. Wissenschaftler in Europa und den USA suchen nach Lösungen. Es geht dabei darum, neue Anlagen optimal zu designen und bestehende Parks besser zu steuern. Aktuelle Simulationen von Schweizer Forschenden um Varun Sharma von der EPFL liefern nun Hinweise, wie diese effizienter arbeiten könnten. «Der entscheidende Faktor scheint der Abstand der Windräder in Windrichtung zu sein.» Für eine Modellanlage, wie sie für Offshore-Anlagen oder weite Ebenen üblich ist, berechnete er einen idealen Abstand. Die einfache Formel: acht Mal die Turmhöhe. Interessanterweise sei der seitliche Abstand der Windräder weniger kritisch.
Drohne im Windpark
Um den Wind und vor allem die entstehenden Turbulenzen zu berechnen und die Auswirkungen auf weitere Turbinen in Windfarmen abzuschätzen, muss man die physikalischen Strömungsgleichungen lösen. Damit lässt sich der Wind an jedem Ort in einer realen Umgebung exakt beschreiben, was allerdings einen immensen Rechenaufwand mit sich bringen würde. Selbst heutige Supercomputer sind nur in der Lage, die Verhältnisse innerhalb weniger Meter zu berechnen.
Also braucht man Vereinfachungen. Oft wird für die Simulationen in der Industrie nur die mittlere Strömung verwendet, was Rechenzeit spart, aber ungenauer ist. Längst mahnen Forschende hier genauere Analysen an. Dabei werden nur die grossen Wirbelstrukturen (Large Eddies) exakt berechnet. «Large-Eddy-Simulations sind eine Art Kompromiss», sagt Lehning. Die Turbinengeometrie wird vereinfacht, Windräder sind letztlich Scheiben, die zu turbulenten Strömungen führen. Man teilt den Park in Raster ein. Die feinere Struktur im Inneren der einzelnen Raster kann dank Versuchen aus dem Windkanal abgebildet werden.
Um noch realistischere Werte zu erhalten, entwickelte Balaji Subramanian von der ETH Zürich eine Drohne, die durch die Windfarmen fliegt. Mithilfe verschiedener aerodynamischer Sensoren ermöglicht sie eine direkte 3D-Strömungsmessung. Dank solcher Daten lassen sich die Modelle weiter vereinfachen, um im nächsten Schritt aus Simulationen für wechselnde Windrichtungen oder unterschiedliche Tag-Nacht-Anforderungen ein ideales Standortdesign für Grossanlagen zu entwickeln.
Und bei bereits bestehenden Anlagen? Hier gibt es oft Probleme mit Tag-Nacht-Unterschieden in der Luftströmung. Grosse Windfarmen ändern nämlich die Dynamik in der Atmosphäre. Sie schieben während der Nacht in etwa 100 Metern Höhe auftretende Bänder mit Jet-Winden in höhere Regionen. Die Folge: Die Leistung sinkt drastisch. Auch hier zeigen Simulationen, dass der Verlust deutlich begrenzt werden kann, wenn man etwa gezielt einzelne Windräder abschaltet, beispielsweise jedes zweite. Die neuen Simulationen können noch viel Potential freilegen.
Schneebesen im Wind
Forschende experimentieren auch mit anderen Typen von Windrädern, die nicht um eine horizontale, sondern eine vertikale Achse rotieren – wie grosse Schneebesen mit breiteren Flügeln. Einzeln haben solche vertikalen Räder einen geringeren Wirkungsgrad, in grossen Parks liefern sie laut Simulationen von John Dabiri von der Universität Standford aber auf gleicher Fläche deutlich mehr Leistung als klassische Anlagen.
Hubert Filser arbeitet regelmässig für Süddeutsche Zeitung sowie die Fernsehsendung Quarks & Co. Er wohnt in München.
V. Sharma et al.: Evolution of flow characteristics through finite-sized wind farms and influence of turbine arrangement. Renewable Energy (2017)