Mit dieser Etikette hat 1973 die Erklärung von Bern (Public Eye) Fair-Trade-Kaffee verkauft. | Bild: Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich

Fair-Trade-Produkte sind heute in der Schweiz selbstverständlicher Bestandteil des Detailhandelssortiments. Was unter fairem Handel verstanden wird, hat sich allerdings seit den 1960er-Jahren fundamental gewandelt.

Das zeigt die Forschungsarbeit der Wirtschaftshistorikerin Andrea Franc von der Universität Basel. Sie hat von Nichtregierungsorganisationen verfasste Texte zwischen 1964 und 1984 untersucht – darunter sind prominente Beispiele wie die Erklärung von Bern (Public Eye) oder ihr britisches Pendant, die Haslemere Declaration. «In den 1960er-Jahren forderten Fair-Trade-Aktivisten die Industrialisierung der Entwicklungsländer und die Öffnung der Märkte für ihre Produkte», sagt Franc.

Nach der ersten Ölpreiskrise, der 1974 eine Welternährungskrise folgte, änderte sich dieser Ansatz. Ziel war es nicht länger, Entwicklungsländern einen möglichst hindernisfreien Zugang zum internationalen Handel zu verschaffen. Vielmehr rückten die lokale Produktion und der Schutz der Kleinbauern in diesen Ländern in den Fokus der Fair-Trade-Aktivisten.

Diese Entwicklung wirkt bis heute: «Es gibt zum Beispiel ghanaische Schokoladenfabriken, die ihre Produkte aufgrund von Handelsschranken nicht nach Europa exportieren können», erklärt Franc. Der Fokus auf einen kleinen Warenkorb tropischer Produkte, die in Europa typischerweise als Fair-Trade-Ware verkauft werden, ermögliche es, die Konkurrenz aus Entwicklungsländern zu ignorieren.

Diese Erkenntnisse zeigen für Franc, dass es für die optimale Gestaltung der Weltwirtschaft kein Patentrezept gibt: «Ein erster Schritt zu einem globalen fairen Handel wäre wohl Demut vor dessen
Komplexität.»