Lange Flügel für kalte Starts
In hohen Breiten werden die Körper gross und die Extremitäten klein. Bei den Insekten gelten aber leicht andere Regeln.
Ein Polarfuchs würde in der Wüste nicht lange überleben, ein Wüstenfuchs am Polarkreis auch nicht. Tiere in kalten Erdregionen werden grösser als verwandte Arten in warmen Gebieten – dafür sind unter anderem ihre Ohren kleiner. Der Grund für diese Anpassungen liegt im Temperaturhaushalt: Ein grosses Volumen bei kleiner Oberfläche verliert weniger Wärme. Auch kleine Körperanhänge verhindern Wärmeverlust.
Nachgewiesen sind diese Zusammenhänge für Warmblüter wie Säuger oder Vögel. Forschende der Universität Zürich haben nun gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Schweden untersucht, ob sie auch für Insekten gelten. Sie griffen dazu auf Museumsexemplare und Daten von über 150 Taufliegenarten zurück. Tatsächlich zeigte sich, dass auch Fliegen in höheren Breitengraden grösser werden.
«Der Grund könnte eine physiologische Reaktion auf die lokale Temperatur sein», sagt Patrick Rohner, der Erstautor der Studie. Insekten wachsen zwar langsamer, wenn es kälter wird. Gleichzeitig verlängert sich ihre Entwicklungszeit jedoch so stark, dass dies mehr als ausgeglichen wird. Ob die gesteigerte Grösse den Fliegen in der Kälte einen evolutiven Vorteil verschafft, ist laut Rohner jedoch noch unklar.
Grösser war in kälteren Regionen auch die Flügellänge – eine Umkehrung der Regel bei Warmblütern. Rohner erklärt dies damit, dass kürzere Flügel keinen Effekt auf den Temperaturhaushalt hätten. «Fliegen sind so klein, dass sie sofort die Aussentemperatur annehmen.» Dagegen haben längere Flügel einen klaren Vorteil: Berechnungen zeigen, dass Fliegen so den Auftrieb mit weniger Energie erzeugen. Sie können deshalb auch bei tieferen Temperaturen losfliegen – zum Beispiel an einen wärmeren Ort.