Schimpansen im Basler Zoo helfen mit, unsere Sprache besser zu verstehen
Jede Woche arbeitet Eloïse Déaux mit Schimpansen. Die Biologin beobachtet, wie sie lernen und will damit die Entwicklung der menschlichen Sprache besser verstehen.
«Mein Tag beginnt mit einer Stunde Reinigungsarbeit. Ich betrete das Schimpansengehege und beseitige den Kot und die Nahrungsreste, dann putze ich die Fenster. Das ist ein Gefallensaustausch mit den Tierpflegern. Dafür sorge ich am Abend im Zug bei meinen Mitreisenden mit meinen schmutzigen, übelriechenden Kleidern wohl eher für Unbehagen!
Dann beginnt meine wissenschaftliche Arbeit: Ich will verstehen, wie das soziale Lernen bei den Schimpansen die Entwicklung ihres Stimmrepertoires beeinflusst. Meine Forschung konzentriert sich auf die «Food Calls», die Nahrungsschreie, die diese Affen von sich geben, wenn sie essen oder Nahrung entdecken.
Ich untersuche derzeit, ob ein soziales Signal ihnen hilft, neue Informationen kognitiv schneller aufzunehmen. Ich arbeite mit zwei Touchscreens im Schimpansengehege. Darauf werden Gegenstände gezeigt, die die Affen nicht kennen. Ein Rubik-Würfel neben einem Hocker, eine Haarbürste neben einem Schneebesen. Die Affen müssen das Bild auswählen, das willkürlich als das Richtige bezeichnet wurde. Als Belohnung erhalten sie ein paar Trauben.
Beim Experiment spielt der Computer ein Geräusch ab, kurz bevor er die Bilder zeigt: einen Nahrungsschrei oder einen leichten Hammerschlag. Ich schaue dann, wie viele Versuche die Affen benötigen, um das richtige Bild auszuwählen. Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Nahrungsschrei den Tieren hilft, die Informationen schneller aufzunehmen. Wir müssen dies aber noch bestätigen.
Während dieser Sitzungen bleibe ich hinter dem Bildschirm und gebe im richtigen Moment die Belohnungen ab. Die Affen sehen mich, ich bin aber nie in direktem Kontakt mit ihnen, und ich arbeite stets in Anwesenheit des Tierpflegers. Dies gewährleistet eine optimale Sicherheit für alle und vermeidet Stress für die Tiere.
Zuvor hatte ich in australischen Tierreservaten Dingos untersucht. Im Zoo bin ich sicher, dass ich drei Stunden mit den Tieren arbeiten kann – ohne lange Wanderungen im Wald, nach denen ich vielleicht doch keine Versuchstiere treffe. Hingegen sind die Zoo-Populationen kleiner und nicht in einer natürlichen Umgebung aufgewachsen. Wir müssen ausserdem gewisse Regeln beachten, zum Beispiel die Tiere nicht zu trennen.
Meine Arbeit ist stark von der Laune meiner Versuchstiere abhängig, denn sie machen ja freiwillig mit. Mit den Pflegern haben wir vereinbart, dass mit einem Tier höchstens zwei Sitzungen von je 15 Minuten pro Tag stattfinden. Ein roter Hintergrund auf dem Bildschirm zeigt dem Schimpansen, dass er diese Grenze erreicht hat. Dieser Punkt ist sehr wichtig, sowohl aus Ernährungssicht als auch für das Funktionieren der Gruppe: Die Belohnungen dürfen das Essverhalten der Affen nicht stören, und der Zugang zum Gerät darf keine Konflikte verursachen.
Schlauer sein als die Affen
Derzeit habe ich drei erwachsene Tiere zur Verfügung, die ein Niveau erreicht haben, das für die Arbeit ausreicht. Zwei weitere machen Fortschritte, während vier Weibchen kein Interesse an den Touchscreens zeigen. Ich bin aber immer noch zuversichtlich, dass sie eines Tages mitmachen. Ich wusste, dass Schimpansen misstrauisch gegenüber Neuem sind. Ich war aber überrascht, dass sie wochenlang motiviert werden mussten – zum Beispiel mit Karottenscheibchen auf dem Bildschirm –, bis sie es schliesslich wagten, diesen zu berühren.
Wer mit Schimpansen arbeitet, muss seine Aufgaben ständig überdenken. Man muss versuchen, schlauer zu sein als sie, was nicht immer einfach ist. Wenn es einen Weg gibt, die Belohnung mit weniger Aufwand zu erhalten, finden ihn die Affen immer. Zum Beispiel musste ein Weibchen auf ein Quadrat drücken, das sich zufällig bewegte. Bald begriff es, dass das Quadrat früher oder später unter dem Finger durchläuft, wenn es immer am gleichen Ort drückt. In solchen Fällen muss ich das Computerprogramm anpassen.
Die Arbeit bringt manchmal auch kuriose Situationen mit sich. Eines Tages warf mir ein Weibchen durch das Gitter ein grosses Kotstück auf meine Kleider. Kurz danach stellte mir ein Besucher sehr ernsthafte Fragen zu meiner Arbeit. Der Geruch war so stark, dass ich mich kaum konzentrieren konnte.
Derzeit plane ich ein zweites Forschungsprojekt, um herauszufinden, ob die Nahrungsschreie das Verhalten eines Affen gegenüber einem unbekannten Nahrungsmittel beeinflussen. Das Ziel ist letztlich dasselbe: Indem wir die Kommunikationskompetenzen von Affen untersuchen, können wir die Entwicklung der menschlichen Sprache besser verstehen.»
Eloïse Déaux ist Post-Doktorandin im Labor für Vergleichende Kognitionsforschung der Universität Neuenburg und interessiert sich leidenschaftlich für Tierkommunikation und Verhaltensökologie. Die Französin studierte Biologie an der Macquarie University in Sydney und hat dort ihre Dissertation über akustische Signale von Hunden und Dingos geschrieben.
Aufgezeichnet von Martine Brocard.