Der Traum vom freien Markt für Daten
Auch kommerzielle Anbieter sollen künftig vernetzte Datensätze nutzen. Informatiker der Universität Zürich setzen auf ökonomische Anreize.
Die Vision des sogenannten Web of Data ist eigentlich einfach: Dank einheitlicher Tags und Strukturen sollen Informationen im Web für Computer verständlich werden, so dass Algorithmen Webinhalte und Datensätze besser verarbeiten und präzisere Informationen liefern können. Bereits heute stellen Forschung und öffentliche Hand viele Daten auf diese Weise bereit. Um auch kommerzielle Anbieter an Bord zu holen, schlägt eine Studie der Universität Zürich einen Marktplatz für Datensätze vor, der die nötigen ökonomischen Anreize liefert.
Nur bezahlen, was man braucht
Die Grundlage eines solchen Marktplatzes wären Datensätze, die gemäss den Prinzipien des Web of Data aufbereitet sind. Die enthaltenen Daten hätten also eine für Maschinen verständliche Bedeutung. Ein Algorithmus könnte dann erkennen, ob eine Zahl in einer Tabelle zum Beispiel das Alter einer Person oder die Tiefe einer Bohrung misst. Nur so könnte das Potenzial des Web of Data voll ausgeschöpft werden, das darin besteht, dass unzusammenhängende Datensätze und Informationen miteinander verknüpft und neue Zusammenhänge erschlossen würden. Am Ende erhielten Wissenschaft, Behörden, NGOs und Unternehmen möglichst viele Daten von hoher Relevanz und Qualität.
«Alle möglichen Anbieter könnten auf einem solchen Marktplatz ihre Datensätze verkaufen», erklärt Studienautor Tobias Grubenmann vom Institut für Informatik der Universität Zürich. Tourismusbehörden zum Beispiel könnten Übernachtungszahlen verkaufen, welche durch die automatische Kombination mit öffentlichen Daten über Verkehrsflüsse neue Strategien für nachhaltigen Tourismus definieren würden.
Doch für Unternehmen wie Facebook oder Google sind gesammelte Daten Kern des Geschäftsmodells. Wieso sollten sie diese wertvollen Informationen frei zugänglich machen? Entsprechend schwierig war es bisher, private Unternehmen vom Nutzen des Web of Data zu überzeugen. Dessen Ökonomisierung sei noch weitgehend unerforscht und unorganisiert, sagt Grubenmann. «Es gibt viele individuelle private Datenanbieter mit grösstenteils irrelevanten Inhalten. Die Nutzer wissen oft nicht, was sie mit den Daten tatsächlich anfangen können. Der von uns vorgeschlagene Marktplatz zeigt einen Ansatz, wie die Daten von Anbietern kommerziell besser genutzt werden können.»
Im Zentrum der Idee steht eine flexible Preisgestaltung, die sich an der tatsächlichen Nutzung orientiert. Statt Daten teuer im Komplettpaket anzubieten, wäre es auf dem Marktplatz möglich, relevante Teile von Datensätzen zum Beispiel zu einem günstigen Zeilenpreis zu kaufen. Bei einer konkreten Anfrage würde aufgezeigt werden, in welchen Datensätzen sich wie viele relevante Informationen befinden, welche Qualität diese Daten haben und zu welchem Preis der Anbieter diese verkaufen möchte. «Am Ende zahlt die Kundin nur für diejenigen Zeilen aus den Datensätzen, für die sie sich auch tatsächlich interessiert», erklärt Grubenmann.
Der Marktplatz würde bei diesem System lediglich die Rolle des Vermittlers spielen. Datenanbieter würden eine Gebühr für das Bereitstellen ihrer Datensätze zahlen, während relevante Daten aus der öffentlichen Hand gratis zur Verfügung gestellt werden könnten. Das soll dazu motivieren, qualitativ hochwertige und relevante Daten zu generieren, die auch tatsächlich weiterverwendet werden. Grubenmann stellt sich einen freien Markt vor, der sich durch Angebot, Nachfrage und Reputation selbst regelt.
Der Vorteil eines solchen Marktplatzes liegt auf der Hand: Klar strukturierte Daten könnten beliebig durchforstet und verknüpft werden. Öffentliche Daten liessen sich mit kommerziellen verbinden, um neue Zusammenhänge sichtbar zu machen. Eine so gut sortierte Datenfundgrube brächte völlig neue Möglichkeiten für die explorative Forschung, für Visualisierungen oder für detaillierte demografische Analysen und Prognosen.
Knackpunkt Datenschutz
«Es ist grundsätzlich positiv, die Verlinkung von Daten aus der öffentlichen Hand mit Daten aus dem kommerziellen Bereich zu fördern», meint deswegen Matthias Stürmer von der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an der Universität Bern. Dieser Marktplatz könnte für die Forschung von enormem Nutzen sein. Trotzdem müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. «Datenschutz wäre das wichtigste Gut eines solchen Marktplatzes. Das würde beispielsweise eine rigorose Anonymisierung bedeuten. Auch durch die Kombination verschiedener Datensätze dürften keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sein.»
Florian Wüstholz schreibt über Zukunftstechnologien und ist freier Journalist in Bern.