Fokus: Frische Blicke auf die Schule
«Es braucht Instrumente, die den Lehrpersonen direkt helfen»
Mit der Luuise-Methode können Lehrpersonen ihren Unterricht eigenhändig untersuchen und faktenbasiert verbessern. Biologielehrer Marcel Hatt hat die Methode an der Kantonsschule Zürcher Oberland eingeführt. Was ihn daran überzeugt.
Marcel Hatt, Sie haben die Luuise-Methode früh entdeckt und an Ihre Schule gebracht. Warum?
Ich leite bei uns die Arbeitsgruppe, die sich mit Fragen der Qualitätsentwicklung und -sicherung befasst. Luuise fand ich sofort interessant, weil das Instrument einen direkten Nutzen für den Schulalltag hat. Die Diskussion darüber, was guten Unterricht ausmacht, fand ich schon immer spannend. Das hat auch mit meinem Selbstverständnis als Lehrer zu tun: Ich empfinde mich weniger als Dozenten, dem man gehorchen muss, sondern sehe den Unterricht als Dialog mit den Schülerinnen und Schülern. Diese Leidenschaft für das partnerschaftliche Unterrichten hat mich in den dornigen Anfangszeiten auch in der Qualitäts-Arbeitsgruppe gehalten. Denn als die Zürcher Gymnasien vor rund 18 Jahren Vorgaben zur Qualitätssicherung bekamen, war dies unter den Lehrkräften ein unbeliebtes Thema.
Weshalb denn unbeliebt?
Damals hatten viele Lehrpersonen das Gefühl, man zwinge sie zu einem zusätzlichen Aufwand, der im Alltag gar nichts bringt, sondern einfach zu einer Reform gehört. Diese Skepsis hat viel mit unseren begrenzten zeitlichen Ressourcen zu tun und ist für mich absolut verständlich. Genau darum wollte ich Projekte anbieten, die für den investierten Zeitaufwand einen spürbaren Nutzen bringen. Wie eben Luuise. Dieses Instrument knüpft unmittelbar im Unterrichtsalltag an und hilft den Lehrpersonen damit ganz direkt.
Wie wird die Methode konkret angewandt?
Mit Luuise können Lehrpersonen Probleme angehen, die ihnen im Unterricht begegnen – sie werden Knacknüsse genannt. In einem Beispiel aus unserer Schule ging es um das selbstständige Lösen von Aufgaben. Eine Klasse kam jeweils nur sehr zögerlich ins selbstständige Arbeiten hinein. Also hat die betroffene Lehrerin mit Luuise versucht, über eine Art Visualisierung des Arbeitsstarts eine Verbesserung zu erzielen. Die Annahme dahinter war, dass manchen Schülern gar nicht klar war, wie sie den Einstieg ins Arbeiten finden sollen, und ihnen darum eine Strukturierung dabei hilft.
Wie sieht eine solche Strukturierung aus?
Das kann etwas sehr Einfaches sein. In diesem Fall haben die Schülerinnen jeweils drei verschiedenfarbige Papierhütchen aufs Pult gestellt, für drei Schritte des Arbeitsstarts: ein gelbes, wenn sie die Materialien für die Arbeit zusammenhatten, ein grünes, sobald sie die Aufgabenstellung verstanden hatten, und ein blaues, wenn sie entweder mit dem Lösen angefangen oder identifiziert hatten, wo sie inhaltlich feststecken. Diese Hütchen hat die Lehrerin jeweils rasch durchgezählt, um zu erkennen, wie viele Schüler sich in welchem Schritt befanden.
Diese simple Massnahme hat gewirkt?
Ja, die Klasse kam durch diese einfache Strukturierung zunehmend schneller ins selbstständige Arbeiten hinein. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Diskussion der Ergebnisse mit den Schülern. In dieser kann die Lehrperson zum Beispiel fragen: Was bräuchtet ihr, damit es noch ein bisschen besser klappt? Diese Frage überträgt die Verantwortung vom Lehrer auf die Schülerinnen, sodass diese sich aktiv einbringen dürfen und müssen. Ein solches Vorgehen hat etwas Ermutigendes: Wir erkennen und würdigen, was schon gelingt, und kommen ins Gespräch darüber, wie wir zusammen noch weiterkommen.
Sie leiten auch selbst Luuise-Weiterbildungen und sehen viele Beispiele aus dem Unterricht anderer Lehrpersonen. Werden Sie dadurch selbst zu einem besseren Lehrer?
Ich glaube ja. Ich habe gemerkt, dass die Arbeit mit der Methode mein Kommunikationsverhalten in der Schule verändert hat. Ich spreche Probleme früher an und frage häufiger nach, was ich tun kann, um die Schüler zu unterstützen. Das entschärft viele potenziell mühsame Situationen, schon bevor sie richtig eingetreten sind. Und ich springe generell früher auf die Metaebene. Diese Veränderungen haben sich durch die Auseinandersetzung mit Luuise gewissermassen von selbst ergeben.