Wie die Schneedecke die Schmelze der Polkappen beeinflusst
Eine genaue Vorhersage, wie schnell das arktische und antarktische Eis schmilzt, ist eine komplexe Angelegenheit – wegen des Schnees, der darauf liegt. Ein neues Computermodell hilft.
Die Klimaerwärmung lässt das Eis an den Polkappen schmelzen. Computermodelle rechnen hoch, wie viel Polareis noch da ist, und prognostizieren, wie schnell es verschwindet. Doch die verwendeten Modelle sollten genauer werden, vor allem beim Schnee: Dieser liegt über dem Polareis wie eine Isolierdecke und beeinflusst stark, wie schnell das Eis schmilzt. Darum haben Forschende des Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF) in Davos und der EPFL zusammen mit Kollegen aus Deutschland ein Modell entwickelt, das den Einfluss des Schnees detailliert miteinbezieht.
«Schnee ist viel komplexer als Eis», erklärt Michael Lehning, Gruppenleiter am SLF. Einerseits verlangsamt der Schnee die Eisschmelze, weil er das Sonnenlicht stärker reflektiert als Eis. Andererseits wirkt die Decke aber isolierend: Sie hält Wärme im Eis zurück und verhindert, dass mehr Meerwasser zu Eis gefriert. Zudem bildet Schnee Schichten mit unterschiedlichen Mikrostrukturen, die Wärme verschieden stark leiten – und das Eis unterschiedlich beeinflussen. Schliesslich kann Schnee die Eisbildung auch fördern: Einfach wegen seines Gewichts, das die schwimmenden Eisplatten tiefer ins Meer drückt, sodass mehr Wasser gefriert.
Um diese Komplexität abzubilden, wählten die Forschenden ein umgekehrtes Vorgehen als bisher üblich: Anstatt den Schnee in ein bestehendes Eismodell einzubauen, erweiterten sie ihr Modell für Schnee namens Snowpack um ein Modul für Meereis. Dazu haben sie unter anderem Messdaten von Wetterbojen im antarktischen Weddell-Meer verwendet.
«Das neue Modell gibt nun den Einfluss des Schnees auf das Polareis genauer wieder », sagt Lehning. Zurzeit ist sein Team daran, Snowpack in ein globales Wettermodell einzubauen. «Damit lässt sich dann zum Beispiel eine Simulation der gesamten Antarktis erstellen.»