Paradox: Genaue Prognosen produzieren Finanzblasen
Die Aktienkurse explodieren, wenn die Analysten für präzise Prognosen belohnt werden. So lautet die erstaunliche Schlussfolgerung eines Laborexperiments.
An der Börse kaufen und verkaufen Händlerinnen und Händler ihre Aktien zum bestmöglichen Kurs, indem sie sich unter anderem auf die Empfehlungen von Analystinnen und Analysten stützen. Normalerweise werden Blasen an Aktienmärkten vor allem dem Verhalten der Händler angelastet. Aber die Finanzanalysten spielen auch eine wichtige Rolle, wie eine Studie unter Beteiligung der Fachhochschule Chur zeigt.
Mehr als 300 Studierende sind dafür in die Rolle von Händlern oder Analysten geschlüpft. In einem ersten Experiment erhielten beide als Vergütung die Hälfte des Gewinns, den die Händler erzielten. In einer zweiten Phase war die Aufteilung der Rollen identisch, aber die Vergütung der Analysten hing ausschliesslich von der Genauigkeit ihrer Prognosen ab, während die der Händler auf ihren Verkäufen beruhte.
«Im ersten Fall gab es wenig Kursverzerrungen, während sich im zweiten Fall Blasen bildeten», sagt der Studienleiter Marcus Giamattei, Professor für Wirtschaft am Bard College Berlin. Die Erklärung: «Wenn die Analysten aufgrund der Genauigkeit ihrer Prognosen entschädigt werden, stehen sie miteinander in Konkurrenz und haben die Tendenz, die Kurse höher einzuschätzen und Risiken einzugehen. Wenn ihre Vergütung dagegen wie im ersten Fall von der Performance der Händler abhängt, sind sie vorsichtiger und achten darauf, dass diese die Aktien nicht überverkaufen.»
Daraus resultiert ein Paradoxon: Präzise Prognosen von Analysten können die Preise in die Höhe schnellen lassen. Das Laborexperiment kann die Komplexität des realen Marktes zwar nicht abbilden, aber «die Ergebnisse sind interessant für die Marktregulierung im Kampf gegen Finanzblasen».