Faschisten bei der Schule planlos
Schweizer Frontisten sehnten einen autoritären Einheitsstaat herbei. Dafür wollten sie das Schulystem reformieren – jedoch fehlte es an konkreten Ideen.
Lehrer waren in den schweizerischen Fronten – den Organisationen der Schweizer Faschisten in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges – stark vertreten, vor allem in Führungsgremien. Sie träumten von einer homogenen «Volksgemeinschaft», einer autoritären Demokratie und einer korporatistisch organisierten Wirtschaft. Um diese Ziele zu erreichen, wollten sie auch das Schulsystem reformieren. Hier fehlte ihnen aber eine klare Vision, wie eine historische Studie zeigt.
Das bestehende Schulsystem betrachteten die Frontisten als von kommunistischen, jüdischen und liberalen Lehrkräften unterwandert: Sie beschuldigten andersdenkende Lehrkräfte, diese würden den Schülerinnen und Schülern das «rote Gift» einflössen und geistige Anarchie schüren. Ihre Befürchtung: Der «natürliche Hang» des Schweizer Volks zu Vaterlandsliebe, Gehorsam und christlichen Werten werde so geschwächt.
Anja Giudici von der University of Oxford und Thomas Ruoss von der Universität Leuven haben erstmals untersucht, wie sich die Deutschschweizer Fronten zur schulischen Bildung äusserten. Sie sichteten dazu deren Publikationen, aber auch Berichte von Polizei und Behörden, welche die Frontisten überwachten. So fest umrissen ihre Gesellschaftsvision war, so divers und widersprüchlich waren ihre Vorstellungen darüber, ob die Schule auf dem Weg dorthin eine Rolle spielen solle und – wenn ja – welche.
Es gelang ihnen auch nicht, sich auf die Grundzüge einer «neuen Schule» zu einigen oder Unterrichtsmaterialien zu entwickeln. Wie Giudici und Ruoss schreiben, bestätigt sich damit ein Befund aus anderen europäischen Ländern: Die faschistische Rechte hatte in der Zwischenkriegszeit weder inhaltlich noch pädagogisch-didaktisch eine klare Vision der Schulbildung für eine autoritäre und totalitäre Gesellschaft.