DROHNENTECHNOLOGIE
Francisco Klauser: «Es besteht die Gefahr, dass der Luftraum wenigen Privilegierten vorbehalten bleibt»
Viele fürchten sich vor Terroranschlägen mit Drohnen, sagt der Geograf Francisco Klauser. Wie die unbemannten Flugobjekte die Wahrnehmung des Luftraumes verändern.
Francisco Klauser, weshalb das Interesse für Drohnen?
Es begann mit Staunen über ein neues Phänomen: Im Jahr 2008 wurden erstmals Drohnen der Armee über Schweizer Städten eingesetzt, zur Beobachtung der Fussballfans während der Euro. Mir wurde bewusst, dass die kleinen Flugobjekte immer stärker Einzug halten in den Alltag. Das weckte meine Neugierde. Ich fragte mich, wie stark sie uns künftig beeinflussen werden. Mit einer Doktorandin und einem Post-Doktoranden habe ich daraufhin einerseits den professionellen Einsatz von Drohnen untersucht und andererseits deren Wahrnehmung durch die Bevölkerung.
Die Technologie gehört heute tatsächlich zum Alltag …
Ja, wir verfügen zwar nicht über die genauen Daten, aber es gibt schätzungsweise über 100 000 Drohnen in der Schweiz. Und die Anzahl wächst rasant.
Wie wirkt sich das auf unser Leben aus?
Die Technologie hat generell zu einer Neuentdeckung der Luft geführt. Zum Beispiel hat die Polizei damit begonnen, systematisch über die Luft als Raum nachzudenken, den sie überwachen und verteidigen muss, den sie aber auch nutzen kann. Zwar könnte sie weiterhin Helikopter einsetzen, diese sind aber langsamer, auffälliger und teurer als Drohnen.
Wurde der Luftraum wirklich neu entdeckt?
Wir waren uns dieser Dimension früher schon bewusst, aber sie war mental und räumlich weiter entfernt, weniger konkret. Natürlich sehen wir Flugzeuge, wenn wir zum Himmel hinaufschauen, aber sie fliegen weit oben und haben keinen direkten Einfluss auf unseren Alltag. Drohnen sind näher: Wir sehen sie, hören sie, spüren sie manchmal sogar. Es kommt auch vor, dass sie abstürzen. Drohnen bewirken, dass wir nach oben blicken und den Raum über unseren Köpfen, unseren Häusern und unseren Gärten wirklich wahrnehmen. Das Internet führte uns einst mittels globaler Vernetzung in ein neues Universum. Auch mit den Drohnen bekommen wir Zugang zu einer neuen Welt.
Ergeben sich daraus Konflikte?
Es stellen sich Fragen zur Regulierung und Nutzung des neu entdeckten Raumes. Einige Bundesbehörden oder Polizeikorps fragen sich, wie sie die Drohnen in den nicht so leicht beherrschbaren Raum integrieren können: Man muss Häusern, Bäumen und Hochspannungsleitungen ausweichen, Vögel sollen nicht gestört werden, es hat Wind usw. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt sich die Frage, wer das Recht hat, diesen Raum zu nutzen. Können ihn alle beanspruchen? Sollte er gewissen Nutzenden vorbehalten sein? Umfragen zeigen, dass der Einsatz von Drohnen durch Polizei oder Armee gut akzeptiert wird, während 75 Prozent der Befragten gegen eine kommerzielle Verwendung von Drohnen sind, wie etwa zum Fotografieren oder für Paketauslieferungen. Die Nutzung durch öffentliche Institutionen wird nicht gleich wahrgenommen wie die Nutzung durch Private. Ausserdem kommt es zu neuen Ansprüchen: Die Luft wird zu einem Raum, um den es Konkurrenz, einen Wettbewerb gibt. Wer wird sich durchsetzen? Von kleinen Start- ups bis zu Unternehmen, die globale Leistungen entwickeln, stellen zahlreiche Akteure Forderungen.
Welche Befürchtungen hat die Bevölkerung konkret?
Sie macht sich Sorgen um die Sicherheit. Gemäss unserer Studie denken zum Beispiel 80 Prozent, dass die allgemeine Verfügbarkeit von Drohnen Terroranschläge erleichtern könnte. Die Bevölkerung befürchtet auch, dass sich Unfälle ereignen könnten, vor allem in dicht bevölkerten Gebieten wie Städten. Eine abstürzende Drohne kann Verletzte fordern und Panik auslösen. Die Bevölkerung hat zudem Bedenken, was den Schutz der Privatsphäre betrifft, da die allermeisten Drohnen mit Kameras ausgestattet sind.
Welche Vorteile bieten die Drohnen?
Die Technologie hat ein gigantisches wirtschaftliches Potenzial, da sie die Tür für spezifische kommerzielle Aktivitäten öffnet. Die Schweiz gilt als ein Innovationszentrum in Sachen Drohnen. Heute erklären Unternehmen oder Behörden, die noch vor Kurzem den Luftraum nicht genutzt haben, dass sie darauf nicht mehr verzichten könnten. Die Technologie wird weiterhin stark expandieren.
Wer profitiert davon?
Wir stellen fest, dass die Technologien zwar günstig und leicht zugänglich sind, sie jedoch nur von bestimmten Akteuren gebraucht werden: Für Freizeitanwendungen nutzen sie hauptsächlich junge Männer. Der Luftraum ist somit sehr geschlechtsspezifisch geprägt. Das war im Übrigen schon immer so: Denken wir nur zurück an die Könige, die vom Wachturm ihrer Burg aus den Horizont absuchten, aber auch in jüngerer Zeit an Kartografen oder Armeeangehörige, ebenfalls hauptsächlich Männer. Bei den kommerziellen Anwendungen beherrschen gewisse Unternehmen diese Technologie. Es besteht die Gefahr, dass der Luftraum wenigen Privilegierten vorbehalten bleibt. Die Technologie wird nicht unbedingt zu einer gerechteren Welt beitragen.