FOTOVOLTAIK
Einfach im Regen stehen gelassen
Damit die neuen Solarzellen aus Perowskit marktfähig werden können, dürfen sie keine Schadstoffe absondern. Um ihre Umweltverträglichkeit zu testen, werden sie deshalb widrigem Wetter ausgesetzt.
Auf drei mal vier Metern liegen die kleinen Hoffnungsträger der Fotovoltaik: verschiedene Solarzellen aus dem Halbleiter Perowskit – von experimentellem Weltrekordhalter der Effizienz bis zu schon fast industriereifen Modulen. Forschende der Fachhochschule der Nordwestschweiz (FHNW) haben auf dem Dach ihres Institutsgebäudes in Muttenz bei Basel einen Versuchsaufbau für eine Umweltverträglichkeitsprüfung installiert.
Die Testanlage ist weltweit einzigartig. Erstmals untersuchen hier Forschende unter realen Wetterbedingungen die möglichen Auswirkungen von Perowskit-Solaranlagen. Die Zellen sind Tag und Nacht, Wind und Wetter ausgesetzt, Hitze genauso wie Gewittern mit Hagelschauern. Je extremer die Bedingungen sind, umso besser. «Wir wollen Worst-Case-Szenarien anschauen», sagt Markus Lenz, der für die Testanlage verantwortlich ist.
Der Halbleiter Perowskit hat sich in den vergangenen Jahren rasant zu einem Konkurrenten für Silizium gemausert. «Um effiziente Siliziumzellen zu entwickeln, brauchten Forscher mehrere Jahrzehnte», sagt Lenz. «Bei Perowskit-Zellen dauerte das nur wenige Jahre.» Perowskite sind Kristalle, die anders als Silizium selbst in hauchdünnen Schichten noch viel Licht verwerten. Und sie können auch energiereicheres grünes und blaues Licht nutzen. Die Zellen lassen sich dabei günstig herstellen und sogar einfach auf Kunststofffolien drucken. Das verspricht völlig neue Anwendungsmöglichkeiten, etwa auf stromproduzierenden Fenstern.
Schwermetalle gut einpacken
Doch das System hat eine mögliche Schwachstelle: In den Hoffnungsträgern ist nämlich ein Material verbaut, ohne das zumindest die leistungsfähigsten Perowskit-Zellen bislang nicht auskommen: Blei. Zwar sind nur geringe Mengen in den Dünnschichtzellen enthalten, doch ungeschützt kann sich das Material bei Kontakt mit Wasser leicht aus den Zellen lösen. Die Zelle produziert dann auch keinen Strom mehr. Daher packen die Ingenieurinnen die Perowskit-Zellen für den praktischen Einsatz in eine schützende Glas- oder Plastikhülle. In Muttenz testen die Forschenden, ob sich das Blei unter bestimmten Bedingungen trotzdem aus den Zellen lösen kann. Dazu fangen sie das Abflusswasser auf und messen feinste Schwermetallkonzentrationen.
Seit Mai 2020 ist die Anlage in Betrieb. Erste vorläufige Auswertungen gibt es schon. «Die Verkapselung der Zellen spielt eine entscheidende Rolle für Umweltemissionen», sagt Markus Lenz. «Gut verklebte oder verpackte Zellen auf Glas- und Plastiksubstrat zeigen bisher keinerlei Metallemissionen.» Laborzellen, die nur mit Heissleim an den Seiten verklebt wurden, seien dagegen schon nach einer Nacht degradiert. Das ist keine Überraschung, denn solche Zellen sind nur in der Grundlagenforschung im Labor im Einsatz.
«Die Umweltstabilität ist wichtig», bestätigt auch Sylvain Nicolay vom Fotovoltaik-Zentrum am Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) in Neuenburg. Zwar bestehen viele Perowskit-Zellen die standardmässig akzeptierten Degradationstests. Es sei jedoch weitere Arbeit erforderlich, um mögliche unerwartete Materialveränderungen zu identifizieren. Im praktischen Einsatz müssen solche Zellen 25 bis 30 Jahre halten. Gerade bei Anwendungen in Gebäudefassaden müsse auch geklärt werden, wie man mit den Zellen nach Ende ihrer Lebensdauer umgeht, sagt Lenz: «Wir müssen schon jetzt Konzepte für das Ende der Lebensdauer und das anschliessende Recycling erarbeiten.»
Parallel dazu entwickeln die Ingenieure weiter neue Module für den Markt, etwa im europäischen Forschungsverbund PERTPV, an dem auch zahlreiche Schweizer Forschungseinrichtungen wie das CSEM beteiligt sind. Der Verbund will neue Rekorde knacken: Wirkungsgrade von fast 30 Prozent seien möglich, sagt Sylvain Nicolay. Module mit neuen Technologien werden dabei entstehen. Die Anlage auf dem Dach wird also weiterhin gut zu tun haben.