Staatshaushalte
Länder machen sich ihre Zahlen schön
Jede Regierung präsentiert ihre Wirtschaft gerne in einem guten Licht. Eine Analyse aktueller Skandale zeigt auf, wie Länder Graubereiche ausreizen und Statistiken schönen.
Im globalen Wettbewerb wollen die Staaten auch mit Zahlen beeindrucken: mit hohem Wirtschaftswachstum, tiefer Arbeitslosigkeit, geringem Defizit. Solche Indikatoren entscheiden über Erfolg und Misserfolg von Regierungen, Kreditvergaben und die wirtschaftliche Zukunft. In den vergangenen Jahren konnten verschiedenste Studien belegen, dass Regierungen makroökonomische Kennzahlen manipulieren. Lukas Linsi, Assistenzprofessor für internationale politische Ökonomie an der Universität Groningen, hat untersucht, wie die Exekutiven dabei vorgehen.
Gemeinsam mit Roberto Aragão von der Universität Amsterdam analysierte er drei Fälle, in denen Länder in den letzten Jahren für Skandale sorgten, weil sie Wirtschaftsindikatoren manipulierten: Argentinien (Optimierung der Inflationswerte), Brasilien (Schönung der Staatsverschuldung) und Griechenland (Verschleierung der Budgetdefizite). Für ihre Untersuchung sichteten die Forscher zahlreiche Dokumente und sprachen mit damaligen Finanzministern und Regierungsmitgliedern. Aufgrund dieser Informationen identifizierten sie vier Strategien, mit denen Regierungen ihre Kennzahlen verbessern: die Manipulation von Rohdaten, das Ausreizen methodologischer Spielräume, das Optimieren von Schätzungen und die Fälschung von Daten zur Berechnung der Kennzahlen.
«Es zeigte sich, dass die Grenze zwischen korrekten und manipulierten Daten viel weniger klar ist, als dies in der öffentlichen Diskussion oft den Anschein erweckt», erklärt Linsi. Häufig kennen die Regierungen die genauen Daten zudem selber nicht, nach wie vor ist umstritten, welche Methoden am zuverlässigsten sind, und manche Staaten scheitern bereits bei der Erhebung ihrer Bevölkerungszahl. Deswegen folgert Linsi: «Wirtschaftsindikatoren sind viel weniger eindeutig, als viele denken.» Das gelte nicht nur für Entwicklungsländer, sondern sei auch in hochentwickelten Ländern verbreitet. Die neuen Erkenntnisse würden weitere Fragen aufwerfen: «Wo liegt die Grenze zwischen akzeptablen und inakzeptablen Anpassungen? Und wer entscheidet das?»