DEBATTE
Ist es richtig, auch Tieren eine Würde zuzuschreiben?
Menschwürde gilt absolut, so der breite Konsens. Die Tierwürde hingegen kann abgewogen werden. Ist es trotzdem sinnvoll, sie durch die Verfassung zu garantieren?
Die Würde der Menschen wird verletzt, indem sie erniedrigt oder gedemütigt werden. Bei Tieren geschieht dies auf ähnliche Weise: Sie werden gebrochen. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihre Umwelt gemäss ihren Fähigkeiten zu erleben. Man kennt das Brechen des Willens zum Beispiel bei Reitpferden. Oder bei Spanischen Galgos, sensiblen Windhunden, die für Hetzjagden und Wetten eingesetzt werden. Rücksichtslos trainiert, unzureichend gehalten und frühzeitig entsorgt, sind gerettete Galgos erbärmliche Angstbündel, für immer in ihren Fähigkeiten beeinträchtigt. Auch Mastschweine leiden in ihren fetten, manipulierten Leibern, werden eingepfercht gemästet, besamt und kastriert, abtransportiert und geschlachtet. Ihr ganzes Leben ist gebrochen.
Nach unserem Tierschutzgesetz ist die Tierwürde abwägbar. Das ist zwar problematisch, aber gehen wir einmal davon aus. In der Forschung muss die Verwendung von Tieren gerechtfertigt und die Würde der Tiere geschützt werden. Tierversuche sollen durch Alternativen ersetzt, ihre Anzahl verringert und die Mittel verfeinert werden.
Diese sogenannten 3R-Prinzipien sollten auch auf Nutztiere angewendet werden, denn ihre Würde wird systematisch verletzt. Dabei geht es nicht allein um das ihnen angetane Leid, sondern dass wir ihr Leben vollständig instrumentalisieren, ihre Fähigkeiten einschränken, ihr Leben nehmen oder sie brechen. Auch Nutztiere können durch Alternativen ersetzt, ihre Zahl verringert und ihre Haltung verfeinert werden. Die Verletzung ihrer Würde ist nicht nur ein moralischer Skandal, sondern mit Blick auf Klimakrise und Pandemien eine Dummheit.
Markus Wild ist Professor für theoretische Philosophie an der Universität Basel und forscht über Tierethik, Bewusstsein und Geschichte der Philosophie.
Anders als es unsere Verfassung und das Tierschutzgesetz tun, sollte Tieren keine Würde zugeschrieben werden. Nicht, weil sie moralisch irrelevant wären und man rücksichtslos mit ihnen umgehen dürfte. Vielmehr, weil wir den Tieren damit einen moralischen Status zuschreiben, den sie nicht haben.
Würde haben Wesen, die erniedrigt und gedemütigt werden können. Dafür müssen sie sich selbst achten und sich als Wesen verstehen können, denen Achtung durch andere zusteht. Diese Fähigkeit haben Tiere aber nicht, selbst diejenigen nicht, die wie die Menschenaffen ein Bewusstsein ihrer selbst haben. Zur Selbstachtung gehört nämlich ein Verständnis dessen, was andere einem schulden, ein Verständnis von sich als einem Wesen, das anderen gegenüber Ansprüche geltend machen kann.
Man könnte die gesetzlich festgeschriebene Würde der Tiere einfach anders als die Würde des Menschen verstehen. Das mag richtig sein. Aber wieso verwenden wir dann denselben Begriff? Das Problem dabei: Mit der Würde gehen normative Ansprüche einher, die Tiere nicht haben: Der Menschenwürde sollte nicht einfach Rechnung getragen werden, wie die Verfassung es sagt, sondern sie ist unverletzbar. Die Tierwürde hingegen darf, gemäss Tierschutzgesetz, gegen andere Werte abgewogen werden. Hätten Tiere eine Würde, dürften sie nicht zu Nutzungszwecken gehalten werden, nicht einmal auf artgerechte Weise. Oder ein Wildhüter dürfte sie nicht töten, wenn sie krank und verletzt sind, geschweige denn zur Populationskontrolle.
Für die geforderte moralische Rücksicht auf Tiere sollte deshalb ein anderes Wort als Würde verwendet werden – ein Wort, das dem moralischen Status der Tiere besser Rechnung trägt. Vielleicht müssten sogar für unterschiedliche Tiere unterschiedliche Begriffe benutzt werden. Tiere haben nicht alle denselben moralischen Status. Menschenaffen ist fraglos etwas anderes geschuldet als Ameisen oder Mücken.
Peter Schaber ist Professor für angewandte Ethik an der Universität Zürich und beschäftigt sich mit Themen wie assistiertem Suizid, Einwilligung und Instrumentalisierung.
Ein Adler erscheint würdevoll, Enten weniger. Mit der Tierwürde meinen wir jedoch nicht die Erscheinung, sondern etwas, das den Tieren selbst innewohnt. Dieses Etwas wird im Schweizer Tierschutzgesetz treffend als Eigenwert beschrieben. Das heisst, Tiere haben nicht nur für uns einen Wert, sondern auch für sich selbst. Eigenwert hat ein Tier, weil es ein Leben führen, seine Umwelt mit seinen Fähigkeiten erleben, Angenehmes suchen und Unangenehmes meiden kann.
Die Würde der Menschen wird verletzt, indem sie erniedrigt oder gedemütigt werden. Bei Tieren geschieht dies auf ähnliche Weise: Sie werden gebrochen. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihre Umwelt gemäss ihren Fähigkeiten zu erleben. Man kennt das Brechen des Willens zum Beispiel bei Reitpferden. Oder bei Spanischen Galgos, sensiblen Windhunden, die für Hetzjagden und Wetten eingesetzt werden. Rücksichtslos trainiert, unzureichend gehalten und frühzeitig entsorgt, sind gerettete Galgos erbärmliche Angstbündel, für immer in ihren Fähigkeiten beeinträchtigt. Auch Mastschweine leiden in ihren fetten, manipulierten Leibern, werden eingepfercht gemästet, besamt und kastriert, abtransportiert und geschlachtet. Ihr ganzes Leben ist gebrochen.
Nach unserem Tierschutzgesetz ist die Tierwürde abwägbar. Das ist zwar problematisch, aber gehen wir einmal davon aus. In der Forschung muss die Verwendung von Tieren gerechtfertigt und die Würde der Tiere geschützt werden. Tierversuche sollen durch Alternativen ersetzt, ihre Anzahl verringert und die Mittel verfeinert werden.
Diese sogenannten 3R-Prinzipien sollten auch auf Nutztiere angewendet werden, denn ihre Würde wird systematisch verletzt. Dabei geht es nicht allein um das ihnen angetane Leid, sondern dass wir ihr Leben vollständig instrumentalisieren, ihre Fähigkeiten einschränken, ihr Leben nehmen oder sie brechen. Auch Nutztiere können durch Alternativen ersetzt, ihre Zahl verringert und ihre Haltung verfeinert werden. Die Verletzung ihrer Würde ist nicht nur ein moralischer Skandal, sondern mit Blick auf Klimakrise und Pandemien eine Dummheit.
Markus Wild ist Professor für theoretische Philosophie an der Universität Basel und forscht über Tierethik, Bewusstsein und Geschichte der Philosophie.
Anders als es unsere Verfassung und das Tierschutzgesetz tun, sollte Tieren keine Würde zugeschrieben werden. Nicht, weil sie moralisch irrelevant wären und man rücksichtslos mit ihnen umgehen dürfte. Vielmehr, weil wir den Tieren damit einen moralischen Status zuschreiben, den sie nicht haben.
Würde haben Wesen, die erniedrigt und gedemütigt werden können. Dafür müssen sie sich selbst achten und sich als Wesen verstehen können, denen Achtung durch andere zusteht. Diese Fähigkeit haben Tiere aber nicht, selbst diejenigen nicht, die wie die Menschenaffen ein Bewusstsein ihrer selbst haben. Zur Selbstachtung gehört nämlich ein Verständnis dessen, was andere einem schulden, ein Verständnis von sich als einem Wesen, das anderen gegenüber Ansprüche geltend machen kann.
Man könnte die gesetzlich festgeschriebene Würde der Tiere einfach anders als die Würde des Menschen verstehen. Das mag richtig sein. Aber wieso verwenden wir dann denselben Begriff? Das Problem dabei: Mit der Würde gehen normative Ansprüche einher, die Tiere nicht haben: Der Menschenwürde sollte nicht einfach Rechnung getragen werden, wie die Verfassung es sagt, sondern sie ist unverletzbar. Die Tierwürde hingegen darf, gemäss Tierschutzgesetz, gegen andere Werte abgewogen werden. Hätten Tiere eine Würde, dürften sie nicht zu Nutzungszwecken gehalten werden, nicht einmal auf artgerechte Weise. Oder ein Wildhüter dürfte sie nicht töten, wenn sie krank und verletzt sind, geschweige denn zur Populationskontrolle.
Für die geforderte moralische Rücksicht auf Tiere sollte deshalb ein anderes Wort als Würde verwendet werden – ein Wort, das dem moralischen Status der Tiere besser Rechnung trägt. Vielleicht müssten sogar für unterschiedliche Tiere unterschiedliche Begriffe benutzt werden. Tiere haben nicht alle denselben moralischen Status. Menschenaffen ist fraglos etwas anderes geschuldet als Ameisen oder Mücken.
Peter Schaber ist Professor für angewandte Ethik an der Universität Zürich und beschäftigt sich mit Themen wie assistiertem Suizid, Einwilligung und Instrumentalisierung.