Foto: zVg

Jasagt Oliver Inderwildi

Neinsagt Rosetta Blackman
Würden Sie ein Haus nach einer virtuellen Besichtigung kaufen? Oder eine Operation ausschliesslich via Internet mit der Ärztin planen? Ich nicht, denn diese Prozesse setzen Vertrauen voraus, und dieses lässt sich im persönlichen Kontakt besser aufbauen. Das ist bei wissenschaftlichen Prozessen nicht weniger relevant: Physische Interaktionen sind essenziell für den Wissensaustausch, die Bildung kollektiver Intelligenz und die Entwicklung inter- und transdisziplinärer Ideen. Wegen der subtilen Mitteilungen, die wir über Körpersprache, Mikroexpressionen und Tonfall aussenden, ist der persönliche Kontakt wesentlich für Forschende. Die Komplexität der nonverbalen Kommunikation kann vorerst nicht digitalisiert werden. Kreatives Denken und die gegenseitige Inspiration gingen in den Weiten des Web verloren. Zudem: Durch die Coronakrise haben wir verstanden, dass etwa Missverständnisse bei virtuellen Begegnungen viel häufiger vorkommen als bei direkten. Und um ehrlich zu sein: Vermissen wir die persönlichen Kontakte nicht alle?

«Ich bin nicht bereit, komplett in eine virtuelle Welt zu ziehen.»

Der Umwelt zuliebe müssen wir allerdings erstens beachten, wie häufig wir persönlich an Treffen gehen, und zweitens, wie wir dahin reisen. Eingespielte Teams können vieles in die virtuelle Welt verlegen, denn die Vertrauensbasis ist schon da. Zudem können wir entweder mit Musse und kleinem ökologischem Fussabdruck per Zug oder hektisch mit grossem Fussabdruck per Flugzeug reisen. Durch intelligente Entscheidungen können wir also den Umweltschaden von Konferenzen verringern. Bei Hybridveranstaltungen, in denen sich der «harte Kern» in Person trifft und gleichzeitig durch Streaming grössere Audienz erreicht wird, kann die persönliche Interaktion aufrechterhalten und dank digitaler Methoden Wissensverbreitung intensiviert werden. Der Wille, komplexe Probleme zu lösen, ist Antrieb unserer Innovationsfähigkeit. Es gilt, nichts zu verteufeln, sondern intelligente Lösungen zu entwickeln – denn ich bin nicht bereit, komplett in eine virtuelle Welt zu ziehen!

Oliver Inderwildi leitet ProClim – das Forum für Klima und globalen Wandel der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) – und ist Autor mehrerer Bücher zu Emissionsreduktion.

Wir müssen uns überlegen, ob traditionelle Konferenzen für den Wissensaustausch nach wie vor am effizientesten sind. Grosse internationale Treffen bedingen oft weite Reisen, sind vollgepackt mit parallelen Events, und der vorgegebene Zeitplan bestimmt weitgehend, woran eine Besucherin teilnehmen kann. Das Networking beschränkt sich zudem oft auf vereinbarte Treffen mit bereits bestehenden Kontakten. Virtuelle Meetings haben dagegen viele Vorteile: Erstens reduzieren wir unseren CO2-Fussabdruck. Zweitens fördern wir die Inklusivität. Denn wer war bisher typischerweise Keynote-Sprecherin oder Teilnehmende? Ob eine Konferenz physisch besucht werden kann, ist stark von den persönlichen Umständen abhängig, von Projektgeldern und zeitlichen Zwängen, während die Verlagerung auf Online-Plattformen für alle mehr Flexibilität bringt. Drittens können wir dank digitalen Konferenzen von Forschenden lernen, die wir zuvor vielleicht noch nie getroffen haben. Die Arbeit in diversen Gruppen bringt neue Einsichten, ermöglicht unkonventionelle Lösungen und intensiviert den Austausch von qualitativ hochstehenden Ideen.

«Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und wohlwollend an virtuellen Konferenzen teilnehmen.»

Während es zu Beginn der Laufbahn notwendig sein kann, vor Ort ein Netzwerk aufzubauen, besuchen wir später manche Konferenzen in erster Linie, weil wir Angst haben, etwas zu verpassen. Covid-19 hat unser Privat- und Berufsleben auf den Kopf gestellt. Doch nachdem es anfangs manchmal frustrierend war, nicht physisch bei Konferenzen dabei sein zu können, haben sich viele schnell daran gewöhnt und die bereits vorhandenen Online-Tools verwendet. Schliesslich gibt es auch neben der Pandemie gute Gründe, mit Forschenden von anderen Institutionen zu arbeiten, ohne sich mit ihnen am gleichen Ort zu befinden. Wir sollten deshalb die Gunst der Stunde nutzen und wohlwollend an virtuellen Konferenzen teilnehmen, unsere Zusammenarbeit über unser begrenztes Netzwerk ausdehnen und unsere Arbeit in einer offeneren, globalen Wissenschaftsgemeinde weiterführen.

Rosetta Blackman ist Postdoc-Forscherin für Gewässerökologie an der Eawag und Mitgründerin der ABCD-Konferenzen für eine integrative und nachhaltige Wissenschaft.

Foto: zVg

Jasagt Oliver Inderwildi

Würden Sie ein Haus nach einer virtuellen Besichtigung kaufen? Oder eine Operation ausschliesslich via Internet mit der Ärztin planen? Ich nicht, denn diese Prozesse setzen Vertrauen voraus, und dieses lässt sich im persönlichen Kontakt besser aufbauen. Das ist bei wissenschaftlichen Prozessen nicht weniger relevant: Physische Interaktionen sind essenziell für den Wissensaustausch, die Bildung kollektiver Intelligenz und die Entwicklung inter- und transdisziplinärer Ideen. Wegen der subtilen Mitteilungen, die wir über Körpersprache, Mikroexpressionen und Tonfall aussenden, ist der persönliche Kontakt wesentlich für Forschende. Die Komplexität der nonverbalen Kommunikation kann vorerst nicht digitalisiert werden. Kreatives Denken und die gegenseitige Inspiration gingen in den Weiten des Web verloren. Zudem: Durch die Coronakrise haben wir verstanden, dass etwa Missverständnisse bei virtuellen Begegnungen viel häufiger vorkommen als bei direkten. Und um ehrlich zu sein: Vermissen wir die persönlichen Kontakte nicht alle?

«Ich bin nicht bereit, komplett in eine virtuelle Welt zu ziehen.»

Der Umwelt zuliebe müssen wir allerdings erstens beachten, wie häufig wir persönlich an Treffen gehen, und zweitens, wie wir dahin reisen. Eingespielte Teams können vieles in die virtuelle Welt verlegen, denn die Vertrauensbasis ist schon da. Zudem können wir entweder mit Musse und kleinem ökologischem Fussabdruck per Zug oder hektisch mit grossem Fussabdruck per Flugzeug reisen. Durch intelligente Entscheidungen können wir also den Umweltschaden von Konferenzen verringern. Bei Hybridveranstaltungen, in denen sich der «harte Kern» in Person trifft und gleichzeitig durch Streaming grössere Audienz erreicht wird, kann die persönliche Interaktion aufrechterhalten und dank digitaler Methoden Wissensverbreitung intensiviert werden. Der Wille, komplexe Probleme zu lösen, ist Antrieb unserer Innovationsfähigkeit. Es gilt, nichts zu verteufeln, sondern intelligente Lösungen zu entwickeln – denn ich bin nicht bereit, komplett in eine virtuelle Welt zu ziehen!

Oliver Inderwildi leitet ProClim – das Forum für Klima und globalen Wandel der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) – und ist Autor mehrerer Bücher zu Emissionsreduktion.


Neinsagt Rosetta Blackman

Wir müssen uns überlegen, ob traditionelle Konferenzen für den Wissensaustausch nach wie vor am effizientesten sind. Grosse internationale Treffen bedingen oft weite Reisen, sind vollgepackt mit parallelen Events, und der vorgegebene Zeitplan bestimmt weitgehend, woran eine Besucherin teilnehmen kann. Das Networking beschränkt sich zudem oft auf vereinbarte Treffen mit bereits bestehenden Kontakten. Virtuelle Meetings haben dagegen viele Vorteile: Erstens reduzieren wir unseren CO2-Fussabdruck. Zweitens fördern wir die Inklusivität. Denn wer war bisher typischerweise Keynote-Sprecherin oder Teilnehmende? Ob eine Konferenz physisch besucht werden kann, ist stark von den persönlichen Umständen abhängig, von Projektgeldern und zeitlichen Zwängen, während die Verlagerung auf Online-Plattformen für alle mehr Flexibilität bringt. Drittens können wir dank digitalen Konferenzen von Forschenden lernen, die wir zuvor vielleicht noch nie getroffen haben. Die Arbeit in diversen Gruppen bringt neue Einsichten, ermöglicht unkonventionelle Lösungen und intensiviert den Austausch von qualitativ hochstehenden Ideen.

«Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und wohlwollend an virtuellen Konferenzen teilnehmen.»

Während es zu Beginn der Laufbahn notwendig sein kann, vor Ort ein Netzwerk aufzubauen, besuchen wir später manche Konferenzen in erster Linie, weil wir Angst haben, etwas zu verpassen. Covid-19 hat unser Privat- und Berufsleben auf den Kopf gestellt. Doch nachdem es anfangs manchmal frustrierend war, nicht physisch bei Konferenzen dabei sein zu können, haben sich viele schnell daran gewöhnt und die bereits vorhandenen Online-Tools verwendet. Schliesslich gibt es auch neben der Pandemie gute Gründe, mit Forschenden von anderen Institutionen zu arbeiten, ohne sich mit ihnen am gleichen Ort zu befinden. Wir sollten deshalb die Gunst der Stunde nutzen und wohlwollend an virtuellen Konferenzen teilnehmen, unsere Zusammenarbeit über unser begrenztes Netzwerk ausdehnen und unsere Arbeit in einer offeneren, globalen Wissenschaftsgemeinde weiterführen.

Rosetta Blackman ist Postdoc-Forscherin für Gewässerökologie an der Eawag und Mitgründerin der ABCD-Konferenzen für eine integrative und nachhaltige Wissenschaft.