Im Bild
Dem Corona-Spike an den Kragen
Coronaviren können auch schön sein. Ein Postdoc erstellt mit Elektronen- und Röntgenstrahlen präzise Modelle von Spikeproteinen und Antikörpern.
«Was das Bild zeigt, kann man so unter dem Mikroskop nicht sehen. Ich habe es für die nicht wissenschaftlichen Betrachtenden zusammengesetzt.» Maximilian Sauer ist Postdoc und Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds an der University of Washington. Er suchte schon vor der aktuellen Pandemie nach Antikörpern gegen Coronaviren, die Sars und Mers auslösen.
In seinem Bild ist das Spike-Protein des Mers-Coronavirus in roter Farbe dargestellt. Es ist ein Zacken in der inzwischen ikonisch gewordenen Krone, mit dem das Virus die menschlichen Zellen öffnen kann. Den roten Fortsatz unten hat Sauer einem Modell des aktuellen Sars-Coronavirus-2 entnommen. Auch bei den zwei Antikörpern (in Grün und Blau), die das Spike in die Zange nehmen, musste Sauer das meiste ergänzen, denn seine präzisen Daten gelten nur für die Kontaktstellen. Das reicht aber, um zu erkennen, dass die Antikörper die Proteinstränge am Kragen des Spikes auseinanderziehen und so den Öffnungsmechanismus blockieren. «Ich versuche die Strukturen so detailreich wie möglich aufzulösen, um damit die Funktionsweise der Antiköper genau zu erklären», so Sauer.
Proteine sind so klein, dass sie unter dem Lichtmikroskop nicht sichtbar sind. Sauer verwendete Elektronen- oder Röntgenstrahlen und schoss sie auf seine Probe, die er in vielen Wochen Arbeit aufbereitete. So konnte er die ersten Antikörper finden, die nicht am Kopf des Spikes angreifen, wo sich die Viren alle unterscheiden, sondern am Kragen, wo diesen nicht viel Spielraum für Anpassungen bleibt. Diese neue Klasse von Antikörpern könnte zum Einsatz kommen, falls Mutationen des Spike-Proteins die Impfstoffe abschwächen sollten.
«Es ist frustrierend, dass ich mit dem Projekt nicht die Pandemie verhindern konnte. Trotzdem war es natürlich ein sehr schöner Moment, als ich etwas Neues entdeckte. Die Gefühle sind immer etwas bipolar.» Genauso ambivalent wie das visualisierte Spike selbst: schön und schrecklich zugleich.