ARCHÄOLOGIE
Steinzeitliche Massenproduktion
In der Mittelsteinzeit fertigte eine Werkstätte in Hessen tausende von Steinwerkzeugen an. Das Rohmaterial legte dafür weite Strecken zurück und weist eine Vielfalt an Farben auf.
Der sogenannte Feuersteinacker im Vogelsbergkreis in Hessen gilt als eine der grössten mittelsteinzeitlichen Werkstätten Deutschlands – hier wurden vor rund 11 000 Jahren Steinwerkzeuge in Serie hergestellt. Erstmals konnte der Schweizer Archäologe Thomas Hess in Zusammenarbeit mit der dänischen Universität Aarhus nun die Rohmaterialien der dort gefundenen Artefakte ihren Herkunftsstellen zuordnen.
Die mikroskopische Analyse von rund 8000 Steinwerkzeugen lieferte neue Erkenntnisse über das Verhalten der Menschen in der frühen Mittelsteinzeit: Das Rohmaterial stammte von vielen verschiedenen Gesteinstypen. Es wurde nicht dort zerlegt, wo es herkommt, sondern über Distanzen von bis zu 150 Kilometern aus allen Himmelsrichtungen zum Feuersteinacker transportiert und in der Werkstätte zu Mikrolithen weiterverarbeitet – kleinen, häufig geometrischen Einsätzen für Pfeile. Neben verkieseltem Sandstein (Tertiärquarzit) wurden Kieselschiefer, Kreidefeuerstein, Jurahornstein, Chalcedon und versteinertes Holz verwendet. «Das Farbspektrum des Inventars ist besonders vielfältig», sagt Hess, «und es ist möglich, dass den Materialien neben einer funktionalen auch eine symbolische Bedeutung zukam.»
Im Vogelsberggebiet, im grössten vulkanischen Gebirge Mitteleuropas, entspringen zahlreiche Flüsse, an denen sich die Menschen damals orientierten. Der heute abgelegene Feuersteinacker war in der Mittelsteinzeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und diente als Versammlungsort.