Raphael Annaheim (38) zeichnet bei Ausgrabungen der Kantonsarchäologie Zürich. | Foto: Lea Meienberg

«Inzwischen faszinieren mich auch die historischen Zusammenhänge viel mehr»
Raphael Annaheim (38)
Ausgräber und Zeichner

«Den Klosterofen habe ich bestimmt 14 Mal gezeichnet, immer wieder von Neuem, nachdem wir ein paar Zentimeter Erdreich mehr abgetragen hatten. Ich sitze dann mit Zeichenbrett, Bleistift und gerastertem Milchpapier an der Grabungsstelle und übertrage, was ich sehe, Schicht für Schicht auf einen standardisierten Plan. Verschiedene Materialien wie Holzkohle, Sandstein, Lehm oder Kalk markiere ich je mit einer Farbe. Zuvor fotografieren wir alles. Diese Dokumentationen dienen den Archäologen und Archäologinnen dann als Grundlage für ihre wissenschaftliche Analyse.

Auf der Grabungsstelle sind wir ein Team. Wenn ich auf etwas Besonderes stosse, rufe ich die Archäologin, und wir besprechen gemeinsam, was wir da wohl vor uns haben. Der Ofen war Teil eines Nonnenklosters in Winterthur-Töss, das wir letzten Sommer ausgruben. Die Firma Rieter hatte dort ihre Produktionshalle abgerissen, und da war es zum Vorschein gekommen. Das Kloster bestand rund 300 Jahre von 1233 bis 1524, im 14. Jahrhundert hatte es seine Blütezeit, war ein wichtiges Zentrum für Mystik.

«Auch wenn wir sehr langsam vorgehen, ist da doch immer dieser Kitzel, auf etwas Aussergewöhnliches zu stossen.»

Bevor ich als Ausgräber zu arbeiten begann, hatte ich mich eigentlich nicht so gross für Geschichte interessiert. Ich habe Grafikdesign studiert, bin dann durch meinen Zivildienst zur Kantonsarchäologie gestossen. Die Arbeit draussen, wir sind bei jedem Wetter am Graben, gefiel mir so gut, dass ich geblieben bin. Inzwischen faszinieren mich auch die historischen Zusammenhänge viel mehr. Die fertigen Studien lese ich allerdings weniger.

Es ist die Neugier, die uns treibt, immer tiefer zu graben. Auch wenn wir sehr langsam vorgehen und jeden Arbeitsschritt – wie das Zeichnen des Ofens – viele Male wiederholen, ist da doch immer dieser Kitzel, irgendwann auf etwas Aussergewöhnliches zu stossen. Ich bin beim Graben und Dokumentieren sehr auf meine momentane Arbeit fokussiert und stelle mir eigentlich weniger vor, wie alles wohl einmal aussah, als es noch belebt war. Manche Kollegen machen das. Am besten gefällt mir, wenn ich auf alte Werkzeuge stosse. Oftmals kann ich nur staunen, wie geschickt die Menschen damals in der Herstellung von feinen Objekten waren.» ab

Akua Ducraux (23) putzt Reinräume für die Nanotechnologieforschung an der EPFL | Foto: Lea Meienberg

«Ich passe gut auf, dass ich keine Erschütterungen oder Lärm mache»
Akua Ducraux (23)
Reinigungskraft

«Wir tragen Schutzanzüge mit Überschuhen, Handschuhen, Schutzbrillen und Hauben. Man sieht wirklich nur unsere Augen! Der Hauswart hat mich in Prävention und Sicherheit ausgebildet. Wir haben ein persönliches Badge für den Zugang zu den Reinräumen – im Notfall könnten wir damit auch lokalisiert werden. Jeden Abend leere ich die Abfalleimer, desinfiziere die Tische, reinige den Boden mit dem Wischmopp. Die Scheiben werden nur mit Wasser ohne Reinigungsmittel geputzt. Sie müssen ganz sauber sein: Wenn ein Handschuhabdruck sichtbar ist, wird er entfernt. Wenn jemand eine Flüssigkeit verschüttet hat, vielleicht eine Säure, oder Glas zerbrochen hat, informieren wir den Hauswart, der die richtigen Mittel für die Beseitigung kennt. Diese Arbeiten können gefährlich sein, wenn man nicht weiss, worum es sich handelt.

«Ich versuche möglichst wenig zu stören, besonders jetzt, wo viele wegen Corona in Verzug sind.»

Schon am ersten Tag fand ich es interessant, die Forschenden bei ihren Experimenten zu sehen. Leider kenne ich die wissenschaftlichen Fachwörter auf Englisch nicht, um mit ihnen über ihre Forschung zu sprechen. Ich weiss einfach, dass die Tätigkeiten gefährlich sein können. Sie arbeiten sehr konzentriert an ihren Mikroskopen. Einige hören für die Konzentration sogar Musik. Ich versuche möglichst wenig zu stören, besonders jetzt, wo viele wegen Corona in Verzug sind, weil sie drei Monate nicht in die Reinräume konnten. Ich passe sehr gut auf, dass ich keine Erschütterungen oder Lärm mache. Wenn etwas herumliegt, bringe ich es ins Fundbüro, damit die Forschenden keine Daten verlieren. Wir haben einen freundschaftlichen und respektvollen Umgang mit den Stammgästen.» ra

Renata Bünter (58) unterstützt als Study Nurse die klinische Forschung am SITEM des Inselspitals Bern. | Foto: Lea Meienberg

«Ich verstehe mich auch als Anwältin der Testpersonen»
Renata Bünter (58)
Study Nurse

«Ich arbeite seit zehn Jahren in einem kleinen Team als Studienkoordinatorin. Bei uns laufen die Fäden zusammen, wenn wissenschaftliche Studien organisiert werden. Zusammen mit den Ärztinnen und Ärzten und den Sponsorfirmen koordiniere ich den Ablauf dieser Studien. Mir gefällt es, dass ich dabei sehr selbstständig und vielseitig arbeiten kann und auch die Möglichkeit habe, eigene Ideen einzubringen.

«Die Zusammenarbeit mit den Ärztinnen nehme ich als offen und transparent wahr.»

Ich bin Pflegefachfrau, aber meine jetzige Tätigkeit unterscheidet sich klar von meinem früheren Spitalalltag. Anstelle von klassischer Krankenpflege nehme ich nun beispielsweise Blutproben, zeichne EKG auf und verschicke Proben ins Labor. Insgesamt habe ich zwar weniger Kontakte zu Patienten, aber die Begegnungen mit den Testpersonen finden oftmals über einen längeren Zeitraum statt. Da entwickelt man einen persönlichen Draht, und die Menschen beginnen Dinge zu erzählen, die nicht direkt mit der Studie zu tun haben. Entweder kommen die Testpersonen zu uns, oder ich gehe zu ihnen auf Visite auf die Station.

Die Zusammenarbeit mit den Ärztinnen nehme ich als offen und transparent wahr. So manche schätzt es, dass wir uns mit den Papieren gut auskennen. Ich interessiere mich sehr für die grösseren Zusammenhänge der Studien und wie sie den Patienten helfen. Ich verstehe mich auch ein bisschen als Anwältin der Testpersonen. Wir führen vor allem Wirksamkeitsstudien durch. Studien, bei denen ein Medikament erstmals am Menschen getestet wird, gibt es bei uns glücklicherweise nicht. Deshalb ist das Risiko kleiner.» ab

Sylvie Moret (38) degustiert Weine aus Züchtungen der Forschungsstation Agroscope Changins in Nyon (VD). | Foto: Lea Meienberg

«Die menschliche Wahrnehmung ist immer noch präziser als die maschinelle Beurteilung»
Sylvie Moret (38)
Degustatorin

«Unser Team von rund vierzig Degustatorinnen und Degustatoren ist sehr wichtig für Changins, weil die menschliche Wahrnehmung immer noch präziser ist als die maschinelle Beurteilung. Wir treffen uns einmal wöchentlich. In einer zweistündigen Sitzung testen wir bis zu 15 verschiedene Weine oder andere Produkte wie Salate oder Karotten. Wir wissen nie zum Voraus, womit wir arbeiten werden. Die Studienobjekte wechseln, aber grundsätzlich stammen sie aus der Landwirtschaft und der Önologie.

«In den Ferien übe ich weiter, indem ich an meinen Kräutertöpfen rieche.»

Jede Sitzung ist anders: Manchmal degustieren wir voneinander getrennt in Kabinen, manchmal treffen wir uns in einem grossen Saal. So können wir uns über unsere Wahrnehmungen austauschen und uns regelmässig weiterbilden. Es ist unglaublich, wie es den Verantwortlichen gelingt, uns mit Übungen zu kontinuierlichen Fortschritten anzuleiten. Ich gehöre nun seit zehn Jahren zum Team, und wenn ich Übungen aus der Anfangszeit wiederhole, finde ich sie zu einfach! Am schwersten fällt es mir, den Geruch von Pfingstrose und Rose zu unterscheiden. In den Ferien übe ich weiter, indem ich an meinen Kräutertöpfen rieche.

Wir sind alles Freiwillige. Wir engagieren uns, weil es Spass macht, zur Forschung beizutragen. Ich sage mir, dass dahinter Leute stehen, denen wir mit unserer Arbeit helfen können. Die Studierenden, die unser Können in Anspruch nehmen, kommen später zu uns und erklären uns, woran sie arbeiten. Bei den Forschenden ist es anders: Die Studien, zu denen wir einen Beitrag leisten, erscheinen zwar in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, aber meistens in englischer Sprache, die ich leider nicht verstehe.» ag

Jürgen Quack (66) baut in Urdorf (ZH) Glasapparaturen für Chemiexperimente. | Foto: Lea Meienberg

«Zwei Stück haben wir gebaut, eines hat funktioniert»
Jürgen Quack (66)
Glasapparatebauer

«Eigentlich wäre ich schon im Ruhestand. Ich habe das drei Monate ausprobiert, aber schnell gemerkt: Für mich ist das nichts, zumindest noch nicht. Mehr als 50 Jahre habe ich als Glasapparatebauer in der Wissenschaft gearbeitet. Erfahrung ist in unserem Job sehr viel wert. Wir arbeiten mit den unterschiedlichsten Materialien von niedrig schmelzendem Glas bis hin zu Quarzglas und machen häufig komplizierte Einzelanfertigungen.

«Wer mich von oben herab behandelt hat, der musste vielleicht ein klein wenig länger warten.»

Unsere Dienste braucht man in den unterschiedlichsten Fachgebieten. Aus Elektrotechnik, Chemie, Biologie, Physik oder Medizin sind die Forschenden jeweils zu mir in die Werkstatt gekommen. Meist haben sie mir eine Zeichnung auf den Tisch gelegt und gefragt, wie schnell ich liefern könnte. Wer nett gefragt hat, wie das die meisten taten, für den habe ich häufig auch Überstunden angehängt. Wer mich von oben herab behandelt hat, der musste vielleicht ein klein wenig länger warten. Das kam aber selten vor.

Schwierige Aufträge haben mich immer gereizt. Während meiner Zeit am Max- Planck-Institut kam einmal eine Forscherin zu mir und wollte einen Platindraht vakuumverschlossen in einer Elektrode haben. Physikalisch ist das eigentlich unmöglich. Wir haben es dann irgendwie hinbekommen. Zwei Stück haben wir gebaut, eines hat funktioniert. Ich habe mich immer auch für die wissenschaftlichen Zusammenhänge interessiert und, weil unser Handwerk selten geworden ist, mich auch in der Nachwuchsförderung engagiert. Weil mir die Pension zu langweilig war und um meine Erfahrungen weiterzugeben, habe ich jetzt meine eigene Firma Glass Technology Transfer gegründet.» ab