ORTHOPÄDIE
Organe mit Gel reparieren
Muscheln und Sandburgenwurm liefern das klebrige Material für ein neuartiges Gel, mit dem verletzte Organe und gerissene Knorpel geflickt werden können.
Mal verdreht sich eine Fussballspielerin plötzlich das Bein, mal überlastet ein Fliesenleger sein Knie über Jahre – und der Meniskus ist gerissen. Dieses Knorpelkissen dient als Stossdämpfer im Gelenk und ist bislang nur schwer zu reparieren, da es schlecht durchblutet ist. «Risse im Meniskus zu nähen, bringt oft keine guten Ergebnisse», sagt der Materialwissenschaftler Peyman Karami von der EPFL. Stattdessen hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Dominique Pioletti eine Art Bio-Klebstoff entwickelt, der das zerrissene Knorpelgewebe wieder kitten kann.
Seit Jahren versuchen Forschende bereits, solche Hydrogele für die Reparatur von Schäden an Weichteilen einzusetzen. Doch haften sie meist nicht stark genug am Gewebe oder verrutschen nach einiger Zeit. Daher haben Karami und sein Team ihr Hydrogel mit gleich mehreren besonderen Eigenschaften versehen. Zunächst fügten sie eine Art Netz aus Hyaluronsäuren oder Gelatine zusammen. Um für eine Haftung am Knorpel zu sorgen, suchten sie Vorbilder in der Natur: Muscheln etwa, die enorm stark an Oberflächen kleben, oder auch der Sandburgen-Wurm, der aus einzelnen Sandkörnern gewaltige Röhrenriffe baut. Die Forschenden nahmen Extrakte der klebrigen Verbindungen gleich beider Tiere und fügten sie ihren molekularen Netzen hinzu. Und tatsächlich: Im Laborversuch haftete das neue Hydrogel fest am Knorpel, ebenso wie an anderem Weichteilgewebe.
Mindestens drei Jahre bis zu klinischen Studien
Damit Medizinerinnen das Hydrogel künftig überall im Körper verwenden können, entwickelten die Forschenden ihr Produkt in flüssiger Form. Erst wenn es an die gewünschte Stelle gespritzt und einer Lichtquelle ausgesetzt wird, nimmt es seine feste Konsistenz an. Neben Meniskusschäden könnte das Hydrogel später auch bei Verletzungen der Hornhaut, der Leber, der Niere oder des Herzes zum Einsatz kommen. Bis die ersten klinischen Studien durchgeführt werden können, werden laut Karami aber noch mindestens drei Jahre vergehen.