Standpunkt
Chantal Britt: «Hierzulande fehlt eine Strategie zu Long Covid»
Chantal Britt vom Verein Long Covid Schweiz erklärt, warum es mehr Forschung zu den Langzeitfolgen von Covid-19 braucht.
Seit März 2021 setzt sich der Verein Long Covid Schweiz unter anderem dafür ein, dass das Syndrom als Krankheitsbild anerkannt und multidisziplinär erforscht wird. Mitgründerin Chantal Britt ist Wissenschaftskommunikatorin und selbst betroffen. Sie erklärt, warum Forschung und Politik Long Covid auf die Agenda nehmen sollten.
Chantal Britt, der Verein Long Covid fordert vom Bundesrat einen Fonds zur klinischen Erforschung von Long Covid. Warum?
Zu Beginn der Pandemie wurde sehr schnell viel Geld für die Forschung zu Covid-19 gesprochen. Damals konnte man nicht wissen, dass es zu Langzeitfolgen kommt, die man nicht versteht und nicht behandeln kann. Dafür fehlen jetzt die Gelder.
Welche Forschung zu Long Covid gibt es bereits?
In der Schweiz nur wenig im Bereich Pneumologie, da man anfangs davon ausging, dass Covid vor allem die Lunge betrifft. Erst später wurde klar, dass andere Organe beteiligt sind, wie Herz, Nieren und Gehirn.
Ist die Forschung im Ausland schon weiter?
In den USA und in England gab es früh viele Betroffene aus Gesundheitsberufen und der Forschung. Diese Leute konnten glaubhaft kommunizieren und Druck machen. Deswegen hat man dort früh reagiert. Inzwischen wurden unter anderem auch in Holland und Deutschland Gelder für die Long-Covid-Forschung gesprochen.
Sie sind Wissenschaftskommunikatorin und wissen, wie der Forschungsbetrieb läuft. Haben Sie auch besonders gute Chancen, etwas zu erreichen?
Ich habe Erfahrung und Wissen und bin trotz Long Covid fit genug. Deshalb fühle ich mich auch verpflichtet, mich zu engagieren. Ob wir unsere Ziele erreichen, wird sich zeigen.
Was gibt es neben dem verpassten Anfang für politische Hindernisse?
Hierzulande fehlt eine Strategie zu Long Covid, das Problem wird nicht quantifiziert, niemand übernimmt Verantwortung. Es mangelt an interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Fachgesellschaften und einem Austausch aller Beteiligten. Das bräuchte es, damit die Schweizer Forschung den Betroffenen effektiv helfen kann.
Warum soll genau Long Covid besser erforscht werden? Was ist mit anderen vernachlässigten Krankheiten?
Das Syndrom betrifft viele Leute. Es ist keine seltene Krankheit. Viele Fragen bleiben offen: Krankheitsmechanismen, Wirksamkeit von Behandlungen oder Chronifizierung. Wenn Kinder wirklich auch betroffen sind – wir gehen derzeit davon aus –, dann kann man nicht einfach die Schulen durchseuchen. Von dieser Forschung würden zudem auch Menschen profitieren, die unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom leiden, das viel Ähnlichkeit hat und lange vernachlässigt wurde.