NACHWUCHSPROBLEME
Unsichere Lage für wissenschaftlichen Nachwuchs
Viele Nachwuchsforschende kehren der Wissenschaft den Rücken kehren. Jetzt sollen in der Schweiz und im Rest Europas die Arbeitsbedingungen angepasst werden.
Während der Corona-Pandemie haben sehr viele Nachwuchsforschende der Wissenschaft den Rücken gekehrt. Das hat der ehemalige Präsident des Europäischen Wissenschaftsrats Jean- Pierre Bourguignon festgestellt. Jetzt haben Wissenschaftlerinnen aus ganz Europa ein Manifest mit einem 4-Punkte-Plan vorgelegt, um den Braindrain zu stoppen.
Zum einen sollen Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Arbeitswechsel von Forschenden erfasst und überwacht werden. Zum andern fordern sie die Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler. Es sollten zudem mehr Doktorierende in der Industrie eingestellt werden, und der gesamteuropäische Arbeitsmarkt müsse für den wissenschaftlichen Nachwuchs gezielt verbessert werden.
«Europa kann es sich nicht leisten, dass seine künftigen Arbeitskräfte in einer Zeit, in der ein globaler Kampf um Talente tobt, drastisch beeinträchtigt werden», sagte Bourguignon an einer Konferenz am 13. Juli 2022 in Brüssel.
Welchem Druck Nachwuchsforschende auch hierzulande ausgesetzt sind, hatte die in der Pandemie bekannt gewordene Biologin Emma Hodcroft im April auf Twitter thematisiert: «Zusätzlich zum Pandemie-Stress habe ich seit dem Jahr 2020 kurzfristige Verträge, eine unsichere Unterkunft (denn: kein Job = keine Wohnung), und das Auslaufen meiner Aufenthaltsgenehmigung steht bevor. Das wirkt sich natürlich auf meine geistige Gesundheit, Kreativität und Produktivität aus.»
Daran hat sich inzwischen nicht viel geändert: «Ich würde sehr gerne in der Schweiz bleiben», schrieb die Epidemiologin im Juli auf Anfrage von Horizonte. «Aber ich habe immer noch begrenzte Arbeitsverträge, die in weniger als einem Jahr auslaufen.» Die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt: Das Parlament hat in der Sommersession ein Postulat angenommen, das die Hochschulen dazu verpflichten will, mehr Dauerstellen für Postdoktorierende zu schaffen.