JUSTIZSYSTEM
Dann doch lieber zum Schiedsgericht
Schiedsverfahren haben Vorteile gegenüber dem traditionellen Gerichtsweg. Bei Scheidungen kommen sie bei uns aber noch nicht oft zum Zug. Ein Blick auf die Praxis in der Schweiz.
In den englischsprachigen Ländern schlichten sogenannte Schiedsgerichte auch Familienstreitigkeiten über Unterhaltszahlungen, Vermögensaufteilungen oder das elterliche Sorgerecht. In der Schweiz ist dies viel seltener der Fall. Warum? Welche Grenzen setzt das hiesige Recht der Schiedsgerichtsbarkeit in solchen Fällen? Könnte ein grösserer Teil der jährlich mehr als 15 000 Scheidungen hierzulande von Schiedsgerichten übernommen werden? Clara Wack, Doktorandin der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg, will diese Fragen in ihrer Dissertation beantworten.
Ein Schiedsverfahren beruht auf einer Vereinbarung zwischen den Parteien. In der Regel wird so schneller eine Einigung erzielt. Die Parteien verpflichten sich, die getroffene Entscheidung zu respektieren, sodass sie ebenso rechtsverbindlich ist wie ein klassisches Gerichtsurteil. «Das ist der Hauptunterschied zur Mediation, die in der Schweiz häufig bei Familienkonflikten eingesetzt wird», erklärt Wack. «Sobald eine Partei dem Verfahren zugestimmt hat, kann sie nicht mehr zurücktreten.»
Nach Schweizer Recht können Streitigkeiten zwischen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz nur dann durch ein Schiedsverfahren beigelegt werden, «wenn die Parteien gemäss Gesetz frei darüber verfügen können», erklärt Wack. «Bei Fragen zur Beziehung zwischen Eltern und Kind, die dem Grundsatz des Kindeswohls unterliegen und gesetzlich geregelt sind, ist dies im Allgemeinen nicht der Fall.» Sorgerecht oder das Besuchsrecht fallen daher zwingend in die Zuständigkeit eines traditionellen Gerichts.
Auch wenn es darum geht, das während der Ehe erworbene Vermögen unter den Eheleuten aufzuteilen, kann es komplex werden, wie Wack weiss: «Aktuell wird in der Literatur überwiegend die Meinung vertreten, dass die Parteien über diese Streitigkeiten frei verfügen können, also ohne Aufsicht durch ein Gericht. Die Frage bleibt jedoch umstritten. Bei Renten wird dies noch kontroverser diskutiert, insbesondere wenn es sich um Kinderrenten handelt.» Wack will mit ihrer Dissertation zu mehr Klarheit beitragen. «Mein Ziel ist es nicht, Schiedsverfahren bei Familienkonflikten zu propagieren, sondern zu verstehen, welchen Platz ihnen das Schweizer Recht einräumt.» Die Forscherin interessiert sich aber auch für weitere Aspekte. Zum Beispiel: Kommt diese teurere Alternative auch infrage, wenn die beiden Parteien nicht über die gleichen finanziellen Ressourcen verfügen?
Mediation und Konsens zuerst
Schiedsverfahren haben Vorteile gegenüber dem klassischen Rechtsweg: Die Entscheide fallen in der Regel schneller, das Verfahren ist flexibler und die Parteien wählen die Richterin oder den Richter selbst. Berühmte Paare können zudem von mehr Diskretion profitieren. Ausserdem sind Schiedssprüche international oft einfacher durchzusetzen. «Bei Familienkonflikten scheint mir das einer der interessantesten Punkte», sagt Wack.
Laura Bernardi, Soziologin an der Universität Lausanne und Expertin für Familienfragen, betont, dass Streitigkeiten dennoch am besten im Voraus vermieden werden sollten. Bevor es zum Rechtsstreit kommt, gibt es übrigens noch andere Alternativen. «Der Kanton Wallis hat kürzlich das Konzept des elterlichen Konsenses eingeführt, eine Art erweiterte Mediation, bei der von Beginn weg Fachpersonen von Gerichten, Sozialarbeit, Mediation und Psychologie eingebunden sind. In den meisten Fällen führte dieses Verfahren bereits in der ersten Sitzung zu einer Einigung.»
Gemäss Bernardi verschärfen die heutigen Gerichtsverfahren häufig die elterlichen Konflikte. Deshalb befürwortet sie grundsätzlich solche Entwicklungen. «Wenn es zu einem Schiedsverfahren kommt, besteht allerdings eine gewisse Gefahr, dass gesetzliche Vorschriften missachtet werden. Letztendlich ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Interessen der Eltern nicht über das Wohl der Kinder gestellt werden.»