Fokus: Forschungspartnerin KI
Editorial: Wir sind auch Maschine
Wissenschaft muss Künstliche Intelligenz integrieren, sonst macht sie ihre Arbeit nicht richtig, findet Co-Redaktionsleiterin Judith Hochstrasser.
Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, neuronale Netzwerke – oder wie man diese weit entwickelten Programme nennen will – verändern die Möglichkeiten beim Erkenntnisgewinn massiv. In erster Linie, weil sie eine viel grössere Menge an Daten in viel kürzerer Zeit durchforsten, analysieren und damit zum Beispiel Prognosen erstellen können. Damit wiederum bringen diese Programme der Wissenschaft genau das, was ihr viele der grossen technischen Fortschritte der Gesellschaft, die alles durchdringen – wie etwa Elektrizität oder das Internet –, auch gebracht haben: Sie kann noch schneller noch mehr Informationen verarbeiten.
Manche mögen monieren, dass diese Entwicklung perfekt zur Kapitalismuslogik passt. Oder skeptisch die alte wissensphilosophische Erkenntnis bemühen: Je mehr Fragen beantwortet werden, desto mehr neue Fragen tauchen auf. Wieder andere mögen den Untergang der Menschheit oder zumindest der Menschlichkeit am Horizont aufscheinen sehen. So oder so, ob man in diesen Programmen eine maximal grosse Be-drohung sieht oder moderne Heilsbringer, es bleibt die Frage: Was genau rüttelt an ihnen so auf? Dabei landet man rasch bei Galileo Galilei, also bei einem alten Konflikt. Seine Erkennt-nis erschütterte die Weltanschauung der Menschen: Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Nein, die Erde dreht sich um die Sonne. Ergo, der Mensch ist nicht das Zentrum des Universums. Ähnliches passiert jetzt mit der Intelligenz, die nicht mehr dem Menschen allein vorbehalten ist. Nein, auch die Maschine könnte intelligent sein. Ergo, der Mensch ist nicht allein wissend. Bei der Unruhe um KI geht es um die Position des Menschen in der Hierarchie der Existenzen. Diese Position haben Strom und Internet nicht in Frage gestellt.
Natürlich betrifft es die Forschung ganz besonders, wenn der Mensch nicht allein intelligent ist. Natürlich muss sie alles, was zu mehr Verstehen und damit zu mehr Wissen führen kann, in ihre Arbeit integrieren. Darum durchdringt KI nicht nur die Gesellschaft, sondern ist grundlegend für die Ent-wicklung der Wissenschaft – genau wie andere, für sie typische Instrumente des Erkennens, Mikroskope etwa. Ruhig Blut, würde ich nun raten, Mensch und Instrument gehören seit dem Faustkeil zusammen.