Fokus: Wie das Geld fliesst
Editorial: Fiktion im Portemonnaie
Wie Geld funktioniert, können wir beeinflussen, aber nicht selbst bestimmen, sagt Co-Reaktionsleiter Florian Fisch.
Geld kann man nicht essen. In dieser lapidaren Aussage steckt erstaunlich viel Wissenschaft. Zahlungsmittel sind das perfekte Beispiel einer sozialen Konstruktion. Zwar existiert der Wert des Geldes ausschliesslich in den Köpfen der Menschen, und dennoch gibt es im Alltag kaum etwas Realeres. Egal, ob es sich um geprägte Metallscheiben, verzierte Papierstücke, mit Datum versehene Zahlen auf einem Bildschirm oder geschliffene Kohlenstoffkristalle handelt: Wer sie besitzt, kann sich damit viele wertvolle Dinge kaufen. Würde uns hingegen eine ausserirdische Zivilisation besuchen, wäre sie von einem Koffer voller 1000-Franken-Noten nicht beeindruckt.
Daraus kann man mindestens zwei Lehren ziehen: Erstens kann die Erfindung Zahlungsmittel gestaltet werden. Welche Inflationsrate die Nationalbank anstrebt, ob internationale Wechselkurse an einen Standard gekoppelt werden sollen und ob wir mit den Zinsen eher die Sparer oder die Investorinnen motivieren wollen: Es handelt sich um rein menschliche Entscheidungen. Trotzdem ist zweitens der Wert der Zahlungsmittel so tief in uns verankert, dass wir das Geld selbst für etwas Dingliches halten, wie einen Baum oder ein Haus. Von Kindesalter an lernen wir, wie man kauft und verkauft, spart und investiert. Die daraus entstehenden Überzeugungen, sind nur schwer zu verändern.
Noch schwieriger ist es allerdings, komplexe Marktmechanismen vorherzusehen. Kein Individuum, kein Land kann unabhängig von anderen agieren. Das bekam die Schweiz beim Untergang der CS deutlich zu spüren. Diesem Spannungsfeld zwischen Gestaltungsspielraum und Ausgeliefertsein widmet sich auch der Fokus in dieser Ausgabe. Einerseits wurden die Schweizerinnen und Schweizer in ein Bankenland geboren und sind Einkommen und Vermögen ungleich verteilt, was die Machtverhältnisse in Familie und Politik beeinflusst. Andererseits gibt es immer auch Alternativen, seien es Kryptowährungen oder Muschelgeld, sei es, worauf wir unser Selbstbild aufbauen oder ob wir gar unser Start-up auf nachhaltige Anlagen anstatt nur auf maximale Gewinne ausrichten.