Wissenschafts-olympiaden
Achtung, fertig, klug sein!
Seit 20 Jahren gibt es den Verband Schweizer Wissenschafts-Olympiaden. Die besten Teilnehmenden werden an die internationalen Wettbewerbe geschickt. Zum Jubiläum erzählen fünf der Medaillengewinner und -gewinnerinnen, was es ihnen gebracht hat.
«Der Wettbewerb hat mir einen richtigen Boost gegeben, Sachen auszuprobieren»
«Die Olympiade hat meinem Leben eine totale Wende gegeben. Durch die Vorbereitung konnte ich mir eine solide Basis in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Finanzen aufbauen – und mir wurde klar, dass ich mir mehr technisches Know-how aneignen muss. Davor wollte ich unbedingt BWL studieren, heute studiere ich Informatik. Der Wettbewerb bestand aus einer Prüfung, einem Simulationsspiel und einem Business Case. Für diesen hatten wir genau 24 Stunden Zeit. Er wurde nachts um 3 Uhr bekannt gegeben. Ich stellte den Wecker, um das nicht zu verpassen. Allerdings bin ich dann wieder eingeschlafen, ich musste Energie tanken. Von meiner Teilnahme an der internationalen Olympiade 2022 wusste ich, dass wir bis zur letzten Sekunde vor der Deadline arbeiten würden. Wir von der Schweizer Delegation konnten punkten, weil wir auf Storytelling setzten. Ich habe bis zuletzt gezittert. Die Medaille hängt jetzt in meinem Elternhaus, was immer wieder für Gesprächsstoff sorgt, wenn Besuch kommt.
Früher träumte ich davon, eine NGO aufzubauen. Dann merkte ich, dass ich durch soziales Unternehmertum genauso viel erreichen kann. Im Freikurs Unternehmensgründung an der Kanti habe ich ein Start-up für Indoor-Farming gegründet. Bis jetzt konnten wir über 750 Kräutergärten verkaufen. Durch den Kurs bin ich auch zur Olympiade gekommen.
Die Vorbereitung im letzten Jahr war intensiv. Statt in der Badi verbrachte ich den Sommer in der Bibliothek. Davor hatte ich Maturaprüfungen, danach habe ich mit dem Studium angefangen. Aber es hat sich gelohnt. Meine heute besten Kolleginnen und Kollegen habe ich bei der Olympiade kennengelernt, mit einigen rede ich noch immer täglich. Der Wettbewerb hat mir einen richtigen Boost gegeben, Sachen auszuprobieren. So habe ich gemerkt, dass ich gerne vor Leuten spreche, das Pitchen hat mir grossen Spass gemacht – das hat mich überrascht. Der Wettbewerb hat mir auch gezeigt, wie viel ich erreichen kann, wenn ich Zeit und Leidenschaft investiere. Und hey: Letztlich ist so eine Olympiade nach den Prüfungen ja fast wie Gratisferien.»
«Das Wertvollste, das ich aus der Teilnahme mitgenommen habe, sind die Freundschaften»
«Ich hatte einen sehr engagierten Chemielehrer am Gymnasium, der mich motivierte, an einer Olympiade in Lausanne teilzunehmen. Dafür musste ich allerdings mein Französisch verbessern – ein unerwarteter Nebeneffekt, von dem ich heute noch profitiere. Mit meiner Begeisterung für die Chemie war ich in meiner Lateinklasse ein Exot. Das Wertvollste, das ich aus der Teilnahme an den Olympiaden mitgenommen habe, sind die Freundschaften mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt. Und natürlich war es für mich als jungen Mann auch interessant, andere Länder kennenzulernen. Peking war unglaublich. Wir erhielten 100 Franken in chinesischer Währung und dachten aus Schweizer Optik, damit würden wir nicht weit kommen. Wir lagen total falsch: Wir konnten uns in diesen knapp zwei Wochen alles kaufen und sind mit viel Souvenirs nach Hause gekommen. Das hat mich damals sehr beeindruckt.
Die Vorbereitung auf die internationalen Olympiaden war jeweils ziemlich intensiv: Ich habe monatelang in meiner Freizeit Versuche durchgeführt. Natürlich war ich stolz auf meine Medaillen. Es ist was anderes, sich auf internationaler Ebene durchzusetzen als im eigenen Land. In den meisten anderen Ländern hat so ein Erfolg konkrete Auswirkungen auf die Karriere. In Deutschland etwa werden die Gewinnerinnen automatisch in die Studienstiftung aufgenommen. In der Schweiz herrscht da eine gewisse Zurückhaltung: Sportliche Leistungen werden gefeiert, intellektuelle Exzellenz wird eher misstrauisch beäugt – obwohl sie eine zentrale Säule für den Wohlstand ist. Ich finde das schade. Ich rate unbedingt zur Teilnahme. Es gibt weltweit Jugendliche, die das gleiche Ziel verfolgen.»
«Ohne die Olympiade hätte ich wahrscheinlich nicht Philosophie studiert»
«Als Gymnasiast war ich der Einzige in meiner Klasse, der Wissenschaft an sich spannend fand. Alle anderen hatten eher konkrete Berufsvorstellungen: Arzt, Juristin oder irgendetwas mit Wirtschaft. Mein Philosophielehrer hat mich ermutigt, an den Wissenschaftsolympiaden teilzunehmen. Die Silbermedaille holte ich mit einem Essay über Thomas Hobbes. Jonas Pfister, der vielen durch seine Einführung in die Philosophie bekannt ist, war damals im Bewertungskomitee. Als ich später Philosophie studierte, war er dann mein Professor. Er erzählte mir, dass dieses Komitee einmal fast aufgelöst worden wäre, weil sich die Mitglieder aus Nordeuropa und diejenigen aus Süd- und Osteuropa bei den Bewertungskriterien nicht einig waren. Erstere honorierten eher Ideen, Letztere eher Faktenwissen. Schliesslich konnten sie sich dann aber doch zusammenraufen.
In Rumänien wurde ich auch zum Fan der Musikrichtung Progressive Metal. Das kam so: Ein sehr attraktiver finnischer Teilnehmer wurde an der Olympiade angehimmelt und regelrecht verfolgt. Das war ihm zu viel, er meinte zu mir: «Komm, lass uns abhauen.» Wir waren dann zusammen in der Stadt unterwegs. Er trug ein Shirt einer Band. Ich sprach ihn darauf an, worauf er mir was darüber erzählt und mir dann auch die Musik abgespielt hat. Ich fand es toll.
Natürlich war ich stolz auf die Medaille, aber das war mehr ein persönliches Ding. Karrieretechnisch hat sie mir wohl nicht viel gebracht, aber für mich war es eine tolle Erfahrung und hat mein Interesse für Essays geweckt. Ohne die Olympiade hätte ich wahrscheinlich nicht Philosophie studiert und schon gar keine Dissertation in Angriff genommen. Leider konnte ich diese aus finanziellen Gründen nicht abschliessen. Aber die Lust am Schreiben ist mir bis heute erhalten geblieben.»
«Die Teilnahme hat mir geholfen, die Prüfungen an der EPFL zu entschärfen»
«Den grössten Einfluss hatte meine Teilnahme an der Physik- und der Chemieolympiade wohl auf mein Deutsch! Der Kontakt mit den Teilnehmenden aus der Deutschschweiz motivierte mich, die Sprache wirklich zu lernen. Und noch heute halte ich durch meine Aktivitäten in den Olympiade-Verbänden meine Kenntnisse am Leben. Am Anfang war ich für die Organisation der Prüfungen und Vorbereitungscamps an der EPFL zuständig. Inzwischen habe ich diese Aufgaben an Jüngere übergeben. Ich helfe aber weiterhin bei Veranstaltungen mit, erstelle Prüfungsfragen oder erteile Physikunterricht. Es engagieren sich Freiwillige aus der ganzen Schweiz. Wir teilen diese Leidenschaft, das gefällt mir.
Ich wusste schon lange, dass ich Physik studieren wollte. Darauf hatte die Teilnahme keinen Einfluss. Eines Tages sah ich ein Plakat an der Tür meines Gymnasiums und entschied mich, mitzumachen – zunächst nur in Physik, im Jahr darauf zusätzlich in Chemie. Das fachliche Interesse hatte ich bereits. Ich habe nur einen Teil des Stoffs etwas früher gelernt. Und das wiederum hat mir geholfen, die Prüfungen an der EPFL zu entschärfen: Die Fragen dort waren für mich nicht so schwierig wie bei der Olympiade!
Doch Gewinnen ist nicht das Wichtigste. Wenn ich an meine Teilnahme zurückdenke, erinnere ich mich vor allem an Orte und Ausflüge. Zum Beispiel zur mittelalterlichen Burg Rakvere in Estland, wo wir uns während des Physikfinals von Tallinn und Tartu auch im Bogenschiessen und Steinstossen versuchten. Oder an den Besuch im Nasa Goddard Space Flight Center während des Chemie-Finals in Washington D.C. und Maryland in den USA. Auch als wir die internationalen Finals in der Schweiz organisierten, unternahmen wir unvergessliche Ausflüge: ins Cern im Jahr 2016 und von Luzern nach Rigi Kulm im Jahr 2023. Künftigen Teilnehmenden würde ich den Rat geben, sich nicht unter Druck zu setzen und alles einfach möglichst zu geniessen!»
«Wie eine richtige Forscherin mit Pipetten zu hantieren, motivierte mich»
«Wenn ich zurückdenke, war alles ziemlich beeindruckend, nicht nur die Prüfungen. Woran ich mich erinnere: Wie ich mit Menschen aus der ganzen Welt Uno spielte. An Armenien und die Hauptstadt Eriwan, wo der Final stattfand. An den Besuch eines ehemaligen Klosters in den Bergen, in einer unglaublichen Landschaft. An die Rückreise im Zug durch die Türkei. All das war unvergesslich.
Ich hatte mich eher zufällig in dieses Abenteuer gestürzt. Seit ich sechs Jahre alt bin, reite ich. Diese Leidenschaft weckte in mir den Wunsch, Tierärztin zu werden, und Begeisterung für Biologie. Mein Lehrer im Gymnasium machte uns die Sache schmackhaft, indem er erzählte, dass der einwöchige Final in den Labors der Universität Bern stattfindet. Die Idee, wie eine richtige Forscherin mit Pipetten zu hantieren, hat mich sofort motiviert. Bei meinem dritten Versuch überstand ich die ersten beiden Runden und durfte nach Bern ins Labor. Wir waren 20 Personen, die während der Osterferien theoretische Probleme lösten, sezierten, Pflanzenpräparate herstellten, nach biochemischen Protokollen arbeiteten. Es machte Spass, war aber sehr anspruchsvoll. Ich war überrascht, dass ich mich für den internationalen Final qualifizierte. Von da an war alles ein Bonus.
Die Olympiade hatte einen enorm positiven Einfluss auf mein Studium der Veterinärmedizin. Das 430-seitige Skript für die Vorbereitungswoche vor der zweiten Runde enthielt bereits einen Grossteil des Stoffs des ersten Jahrs. Zudem meldete ich mich beim Schweizer Verband als Freiwillige und schloss Freundschaften im ganzen Land. Ich bin für die Romandie zuständig, wo der Wettbewerb wenig bekannt ist und als kompetitiv wahrgenommen wird, was nicht das Ziel ist. Ich möchte anderen jungen Menschen diese Erfahrung ermöglichen.»