Der Otemmagletscher ist auch ein Zeltplatz, zumindest für Forschende, die sein hydrologisches System verstehen wollen. | Foto: Bastien Ruols

Ein wenig verloren treiben die orangefarbenen Zelte auf dem zu Eis erstarrten Strom. Links wartet der Schlund, der sie zum Tal tragen würde. Rechts ragt an seinem Ursprung der Pigne d’Arolla in die Höhe. Mehrere Tage und Nächte haben Forschende der Universität Lausanne im Sommer 2023 direkt auf dem Walliser Otemmagletscher campiert.

«Die Kälte war unglaublich. Ich habe echt gelitten», erinnert sich Doktorand Bastien Ruols, der diese Aufnahme mit einer Drohne gemacht hat. Es war das erste Mal, dass die Geophysiker ihr Lager direkt auf dem Eis aufschlugen. Eine Kollegin hatte die Idee aus Kanada mitgebracht. Das hat dem Team neben Stunden des Bibberns neue Möglichkeiten gebracht. Normalerweise übernachten die Forschenden in der Nähe des Gletschers und müssen frühmorgens mühsam hochsteigen.

«Die Kälte war unglaublich. Ich habe echt gelitten.»Bastien Ruols

So aber konnten sie das 3D-Modell des hydrologischen Systems des Gletschers effizienter erstellen. «Es basiert auf möglichst vielen Radarmessungen des Bodens durch Drohnen. Dank dem Campieren vor Ort konnten wir gleich nach dem Aufstehen damit beginnen», erklärt Ruols. «Wir wollen die Bewegungen im Eis, zum Beispiel die Veränderungen der Wasserkanäle, besser verstehen.»

Die zähe Dynamik des Gletschers ist hochkomplex, wie die vielfältigen Risse auf der schieferartig wirkenden Oberfläche zeigen: Die feinen Linien, die sich unter den Biwaks durchziehen, die sich kreuzenden Diagonalen, die den kalten Campingplatz scheinbar in kleine Sektoren unterteilen. «Es bricht in alle Richtungen», so Ruols. Auf der rechten Bildseite ist zudem ein kleiner Spalt zu sehen. «Wenn wir in der Nacht die Toilette besuchten, mussten wir etwas aufpassen.»

«In der Nacht aus dem Zelt zu kriechen und die Milchstrasse ganz ohne Lichtverschmutzung zu sehen, das ist aussergewöhnlich.»Bastien Ruols

Die Klobox hat Ruols indessen nicht mitabgelichtet. So bleibt das Foto des frostigen Lagers, das beim SNF-Bilderwettbewerb 2024 ausgezeichnet wurde, nahezu überirdisch: geschaffen auf 2700 Metern über Meer, himmelweit weg von alltäglichen Erfahrungen. «Ich würde es wieder tun», schwärmt Ruols. «Am Morgen aus dem Zelt zu kriechen und den Sonnenaufgang zu sehen, in der Nacht die Milchstrasse ganz ohne Lichtverschmutzung, das ist aussergewöhnlich.»