Die teilnehmenden Kinder sahen jeweils zwei Fische auf ihrem Bildschirm. Sie hatten die Aufgabe, zu lernen, welcher Fisch grösser ist (+). Konditionelles Lernen (unten) ermöglicht schlusszufolgern, dass A auch grösser als C sein muss. | Grafik: E. Bochud-Fragnière et al. (2024)

Hundert Kindern und Jugendlichen wurden in einem Labor Bilder von bunten Fischen gezeigt, die sie beschreiben und klassifizieren sollten. Ein Teil davon hatten das Down- oder das Williams-Syndrom. Die spielerischen Experimente fanden im Rahmen einer Studie der Universität Lausanne statt. Sie zielten darauf ab, «die Funktionsweise des Gehirns von Menschen mit Down- oder Williams-Syndrom besser zu verstehen, um ihnen geeignete Lernstrategien anbieten zu können», erklärt Pamela Banta Lavenex, Professorin für Psychologie und Co-Leiterin der Studie.

Mit Reihen von Fischen testete das Team, ob die Kinder indirekte Beziehungen ableiten konnten. Wenn zum Beispiel der rote Fisch kleiner als der grüne und der grüne kleiner als der blaue ist, dann ist der rote Fisch auch kleiner als der blaue. Diese Fähigkeit wird von den meisten Menschen mit normaler Entwicklung im Alter von etwa acht Jahren beherrscht und ist Teil einer Reihe von Kompetenzen, die man als konditionelles Lernen bezeichnet. Sie ermöglicht es, die eigene Denkstrategie an den Kontext anzupassen, was in den klassischen Lernprozessen im Schulumfeld sehr wichtig ist. «Unsere Tests haben gezeigt, dass es der Mehrheit der Menschen mit Down- oder Williams-Syndrom nicht gelingt, Strategien des konditionellen Lernens anzuwenden», stellt Banta Lavenex fest.

«Man muss bei einer Person mit einer neurologischen Beinträchtigung andere Strategien finden, um ihr das Lernen zu ermöglichen.»Pierre Lavenex

Diese Schwierigkeiten hängen mit Anomalien im sogenannten Hippocampus zusammen, in einer Schlüsselregion des Gehirns für die Verknüpfung von Informationen. Bei diesen Personen sollten daher Strategien eingesetzt werden, die andere Bereiche des Gehirns mobilisieren und die keine kontextabhängigen, konditionellen Verbindungen erfordern. «Wenn eine Person aufgrund einer neurologischen Beeinträchtigung keine indirekten Beziehungen ableiten kann, ist das keine Frage des Willens», betont Pierre Lavenex, Mitverantwortlicher des Labors. «Man muss sich schlicht damit abfinden und andere Strategien finden, um ihr das Lernen zu ermöglichen.»

E. Bochud-Fragnière et al.: Conditional learning abilities in Down syndrome and Williams syndrome. Journal of Cognitive Psychology (2024)