Foto: Gaetan Bally / Keystone

Jasagt Claude Nicollier.

Foto: ZVG

Neinsagt Sylvia Ekström.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass Menschen, die sich fundiert mit astrophysikalischer Forschung befassen, diese Frage guten Gewissens mit Nein beantworten. Viele von ihnen nutzen die Ergebnisse des Hubble-Teleskops. Ohne die menschlichen Interventionen während fünf Weltraummissionen zwischen 1993 und 2009 wäre es inzwischen vollkommen unbrauchbar. Natürlich würden sie mir entgegnen: «Jetzt haben wir aber das Webb-Weltraumteleskop, den grossen Bruder von Hubble, das im Infrarotbereich arbeitet und perfekt funktioniert – ohne teure und gefährliche bemannte Missionen ins All.» Das ist zwar richtig, aber aufgrund der aktuellen Statistik dieser beiden Teleskope allein können wir nicht auf die Zukunft schliessen.

Im November 2019 hat es zum Beispiel einen weiteren Einsatz mit Astronauten an einem wertvollen wissenschaftlichen Instrument gebraucht, dem Alpha- Magnet-Spektrometer auf der Internationalen Raumstation ISS. Der Antimaterie-Detektor soll unter anderem dazu beitragen, den Ursprung des Universums besser zu verstehen. Dass er erfolgreich gerettet werden konnte, obwohl ursprünglich keine Reparaturen im Orbit vorgesehen waren, hat deutlich gezeigt, dass der Mensch nicht nur «zum Vergnügen» im Weltraum ist.

«Ohne menschliche Intervention wäre das Weltraumteleskop Hubble inzwischen völlig unbrauchbar.»

Es gibt noch eine andere heftig debattierte Idee: eine bewohnte Basis am Südpol des Mondes für Langzeitaufenthalte von Astronautinnen aus dem Artemis-Programm der Nasa und aus China. Artemis dient zwar in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken, wird aber auch als eine Zwischenetappe auf dem Weg zu bemannten Flügen zum Mars betrachtet. Ich bin nicht für eine baldige Besiedlung des roten Planeten, wie es Elon Musks Vision ist.

Doch der Mars wird bestimmt dereinst von Astronautenteams erforscht werden. Das ist eine grosse technische Herausforderung, kann aber auch eine unglaubliche Inspirationsquelle sein, die für starke Emotionen sorgt, ähnlich wie das Apollo- Mondprogramm vor einem halben Jahrhundert. Und es bedeutet auch einen Versuch, die Antwort auf eine hochinteressante Frage zu finden: Ist der Mensch in der Lage, langfristig gesund an einem anderen Ort als der Erde zu leben?

Claude Nicollier ist Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Weltraumfragen und emeritierter Professor der EPFL. Er ist Astrophysiker und war der erste Schweizer Astronaut.

Perseverance, Juice, Bepi Colombo und wie sie alle heissen: Diese kleinen Weltraumroboter erforschen unser Sonnensystem und senden Bilder, Proben und physikalische Daten, die uns Forschenden helfen, Entstehung und Entwicklung der Planeten besser zu verstehen. Jede Generation von Sonden ist leistungsfähiger als die vorherige, und die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz verspricht für die Zukunft einen weiteren Meilenstein: Sobald diese kleinen Roboter in der Lage sind, während ihrer Mission Entscheidungen zu treffen, wird es überflüssig, Menschen an ihrer Stelle ins All zu schicken.

Die Sonden an den Robotern haben einen grossen Vorteil: Sie müssen weder atmen noch essen noch vor Strahlung geschützt werden. Die finanziellen Ressourcen fliessen also vollumfänglich in ihre Leistungsoptimierung und ihren Transport in den Weltraum. Bei bemannten Missionen hingegen kann das Überleben der Reisenden unter erträglichen Bedingungen nur mittels exorbitanter Kosten sichergestellt werden.

«Sobald die Roboter Entscheidungen treffen können, wird es überflüssig, Menschen ins All zu schicken.»

Den Menschen liegt der Entdeckergeist im Blut, stets brechen sie zu neuen Horizonten auf. Nachdem sie die Erde vollumfänglich ausgekundschaftet hatten, richteten sie den Blick zum Himmel. Nach dem temporären Exploit der Eroberung des Mondes sicherten Raumstationen die langfristige Präsenz des Menschen im All. Dadurch konnte die Wissenschaft alle möglichen Fakten über die menschliche Physiologie verstehen lernen, etwa dass sich Schwerelosigkeit extrem negativ auf Lebewesen auswirkt. Die resultierende Störung des Flüssigkeitshaushalts belastet den Stoffwechsel und führt zusammen mit der höheren Strahlenbelastung zu mehr oder weniger schweren Erkrankungen. Das macht deutlich, wie empfindlich unser Organismus ist, wenn er aus dem natürlichen evolutionären Umfeld gerissen wird.

Die finanziellen Ressourcen der Länder sind nicht unerschöpflich. Die Menschheit muss aktuell unzählige Herausforderungen bewältigen, damit sie auf der Erde ein würdiges Leben hat. Es ist absurd, riesige Summen in bemannte Missionen zu investieren, wenn doch der Aufenthalt im Weltraum für Roboter ein Kinderspiel ist.

Sylvia Ekström ist Astrophysikerin an der Universität Genf mit Schwerpunkt Sternenphysik. Sie schrieb 2020 ein Buch mit dem Titel «Wir werden nicht auf dem Mars oder anderswo leben».

Foto: Gaetan Bally / Keystone

Jasagt Claude Nicollier.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass Menschen, die sich fundiert mit astrophysikalischer Forschung befassen, diese Frage guten Gewissens mit Nein beantworten. Viele von ihnen nutzen die Ergebnisse des Hubble-Teleskops. Ohne die menschlichen Interventionen während fünf Weltraummissionen zwischen 1993 und 2009 wäre es inzwischen vollkommen unbrauchbar. Natürlich würden sie mir entgegnen: «Jetzt haben wir aber das Webb-Weltraumteleskop, den grossen Bruder von Hubble, das im Infrarotbereich arbeitet und perfekt funktioniert – ohne teure und gefährliche bemannte Missionen ins All.» Das ist zwar richtig, aber aufgrund der aktuellen Statistik dieser beiden Teleskope allein können wir nicht auf die Zukunft schliessen. Im November 2019 hat es zum Beispiel einen weiteren Einsatz mit Astronauten an einem wertvollen wissenschaftlichen Instrument gebraucht, dem Alpha- Magnet-Spektrometer auf der Internationalen Raumstation ISS. Der Antimaterie-Detektor soll unter anderem dazu beitragen, den Ursprung des Universums besser zu verstehen. Dass er erfolgreich gerettet werden konnte, obwohl ursprünglich keine Reparaturen im Orbit vorgesehen waren, hat deutlich gezeigt, dass der Mensch nicht nur «zum Vergnügen» im Weltraum ist.

«Ohne menschliche Intervention wäre das Weltraumteleskop Hubble inzwischen völlig unbrauchbar.»

Es gibt noch eine andere heftig debattierte Idee: eine bewohnte Basis am Südpol des Mondes für Langzeitaufenthalte von Astronautinnen aus dem Artemis-Programm der Nasa und aus China. Artemis dient zwar in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken, wird aber auch als eine Zwischenetappe auf dem Weg zu bemannten Flügen zum Mars betrachtet. Ich bin nicht für eine baldige Besiedlung des roten Planeten, wie es Elon Musks Vision ist. Doch der Mars wird bestimmt dereinst von Astronautenteams erforscht werden. Das ist eine grosse technische Herausforderung, kann aber auch eine unglaubliche Inspirationsquelle sein, die für starke Emotionen sorgt, ähnlich wie das Apollo- Mondprogramm vor einem halben Jahrhundert. Und es bedeutet auch einen Versuch, die Antwort auf eine hochinteressante Frage zu finden: Ist der Mensch in der Lage, langfristig gesund an einem anderen Ort als der Erde zu leben?

Claude Nicollier ist Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Weltraumfragen und emeritierter Professor der EPFL. Er ist Astrophysiker und war der erste Schweizer Astronaut.

 


Foto: ZVG

Neinsagt Sylvia Ekström.

Perseverance, Juice, Bepi Colombo und wie sie alle heissen: Diese kleinen Weltraumroboter erforschen unser Sonnensystem und senden Bilder, Proben und physikalische Daten, die uns Forschenden helfen, Entstehung und Entwicklung der Planeten besser zu verstehen. Jede Generation von Sonden ist leistungsfähiger als die vorherige, und die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz verspricht für die Zukunft einen weiteren Meilenstein: Sobald diese kleinen Roboter in der Lage sind, während ihrer Mission Entscheidungen zu treffen, wird es überflüssig, Menschen an ihrer Stelle ins All zu schicken.

Die Sonden an den Robotern haben einen grossen Vorteil: Sie müssen weder atmen noch essen noch vor Strahlung geschützt werden. Die finanziellen Ressourcen fliessen also vollumfänglich in ihre Leistungsoptimierung und ihren Transport in den Weltraum. Bei bemannten Missionen hingegen kann das Überleben der Reisenden unter erträglichen Bedingungen nur mittels exorbitanter Kosten sichergestellt werden.

«Sobald die Roboter Entscheidungen treffen können, wird es überflüssig, Menschen ins All zu schicken.»

Den Menschen liegt der Entdeckergeist im Blut, stets brechen sie zu neuen Horizonten auf. Nachdem sie die Erde vollumfänglich ausgekundschaftet hatten, richteten sie den Blick zum Himmel. Nach dem temporären Exploit der Eroberung des Mondes sicherten Raumstationen die langfristige Präsenz des Menschen im All. Dadurch konnte die Wissenschaft alle möglichen Fakten über die menschliche Physiologie verstehen lernen, etwa dass sich Schwerelosigkeit extrem negativ auf Lebewesen auswirkt. Die resultierende Störung des Flüssigkeitshaushalts belastet den Stoffwechsel und führt zusammen mit der höheren Strahlenbelastung zu mehr oder weniger schweren Erkrankungen. Das macht deutlich, wie empfindlich unser Organismus ist, wenn er aus dem natürlichen evolutionären Umfeld gerissen wird.

Die finanziellen Ressourcen der Länder sind nicht unerschöpflich. Die Menschheit muss aktuell unzählige Herausforderungen bewältigen, damit sie auf der Erde ein würdiges Leben hat. Es ist absurd, riesige Summen in bemannte Missionen zu investieren, wenn doch der Aufenthalt im Weltraum für Roboter ein Kinderspiel ist.

Sylvia Ekström ist Astrophysikerin an der Universität Genf mit Schwerpunkt Sternenphysik. Sie schrieb 2020 ein Buch mit dem Titel «Wir werden nicht auf dem Mars oder anderswo leben».