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Maximaler Paarungsstress

Leuchtkäfer müssen einander schnell finden.

Die wohl bekanntesten biolumineszierenden Tiere sind die Leuchtkäfer – auch Glühwürmchen genannt. Was viele nicht wissen: Die Insekten verbreiten Licht, weil ihre Paarungszeit furchtbar kurz ist. So haben die Grossen Leuchtkäfer gerade mal vier Wochen Zeit, um sich zu paaren, bevor sie sterben. Denn anders als die Larven haben die erwachsenen Tiere keine Mundwerkzeuge und können nicht mehr fressen. Damit sie von den Männchen rechtzeitig gefunden werden, funkelt in der Nacht das Hinterteil der Weibchen. Bei einer anderen Art, den Kleinen Leuchtkäfern, irisieren nicht nur die flugunfähigen Weibchen, sondern auch die Männchen. Ihnen bleiben nur sieben Tage für die Vereinigung. Auch in der Schweiz tanzen sie Ende Juni, Anfang Juli in der Luft.

Erzeugt wird die Biolumineszenz auf chemische Weise: Luciferine, eine Gruppe von Molekülen, reagieren mithilfe des Enzyms Luciferase mit Sauerstoff und zerfallen. Dabei wird Energie in Form von Licht frei. Manche Glühwürmchen können damit ein rhythmisch pulsierendes Funkeln erzeugen. Das nutzen ­Räuber wie die asiatische Spinne Araneus ventricosus: Mit den Lichtsignalen gefangener Männchen lockt sie noch mehr Beute an.

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Ein schlauer Teamtrick

Fadenwürmer lassen ihre Opfer erstrahlen.

Im dichten Boden ist Biolumineszenz selten. Was sie dort für eine Funktion haben könnte, hat das Team von Ricardo Machado von der Universität Neuenburg an bestimmten Fadenwürmern untersucht. Diese leben in Symbiose mit leuchtenden Photorhabdus-Bakterien. Zusammen greift das Team etwa Käferlarven an: Die Fadenwürmer dringen in die Insekten ein, wo ihre Bakterien Toxine produzieren, um die Beute zu töten – ein Festessen für die Fadenwürmer. Diese vermehren sich in den toten Insekten. Der Clou: Während der Vermehrung produzieren ihre Bakterien blaugrünes Licht. So flimmern die Insektenkadaver. Den Grund dafür haben nun Machado und sein Team entdeckt. Sie schalteten die Biolumineszenz-­Fähigkeit der Bakterien gentechnisch aus und beobachteten, dass damit auch deren Fähigkeit zur Symbiose mit den Fadenwürmern sinkt. «Die Partnerschaft ist also direkt an die Leucht­­fähigkeit gekoppelt», sagt Machado. Und: Das Licht schreckt aasfressende Käfer ab – gerade in der verletzlichen Vermehrungszeit. So sorgt das Leuchten für ihr Überleben.

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Sonnenlicht imitieren

Kalmar glitzert, um sich zu verstecken.

Am meisten leuchtende Tiere gibt es in den Ozeanen. Mindestens 75 Prozent der schwimmenden Meerestiere können lumineszieren. Das entdeckten Forschende um Séverine Martini vom Institut Méditerranéen d’Océanologie in Marseille mit Unterwasservideos, die sie während 17 Jahren aufzeichneten. «Im Meer leuchtet fast alles», sagt Martini, «man muss nur genau hinschauen.» Bei Meerestieren entsteht das Licht in abgeschlossenen Organen, meist durch Symbiose mit lumineszierenden Bakterien. Einige kleine Kalmar-Arten nutzen ihr Funkeln vermutlich, um sich zu tarnen, etwa Abralia veranyi, die genauer untersucht wurde. Die winzigen, auf dem Körper verteilten Lichtorgane verleihen ihnen ein glitzerndes Aussehen. Sie imitieren das Sonnenlicht im Wasser und kaschieren ihren Schatten, sodass sie für Räuber weniger sichtbar sind.

Andere Meerestiere kommunizieren über das Leuchten, wieder andere locken damit Beute an, etwa die Tiefsee-Anglerfische. So zumindest die Hypothese. Denn: «Die Funktion von Biolumineszenz ist nicht nur im Boden, sondern umso mehr bei Lebewesen der Tiefsee schwierig zu untersuchen», sagt Ricardo Machado von der Universität Neuenburg. Die Beobachtung ist sehr aufwendig, und ohne Kontrollgruppe, die kein Licht verbreitet, lassen sich Hypothesen kaum überprüfen. Klar ist: Biolumineszenz ist so weit verbreitet, dass sie biologisch wichtig sein muss.

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Auch für schillerndes Design

Pilz lockt für seine Sporen Fliegen an.

Wie bei anderen Landorganismen ist Bio­lumineszenz bei Pilzen selten. Von den insgesamt 100 000 beschriebenen Arten sind nur 122 selbstleuchtend, darunter auch die bei uns heimischen Hallimasche. Sie können mit ihren Pilzfäden Holz durchwuchern und zum Irisieren bringen. Mit Glück entdeckt man dies im Herbst, besonders auf Holz, das in feuchtem Laub liegt. Ein weiteres Phänomen ist das Foxfire: Bestimmte Pilze wachsen auf verfaulendem Holz und lassen es mystisch grün aufscheinen. Forschende fanden Hinweise darauf, dass die Pilze mit dem Licht Insekten an­locken, damit diese die Sporen verschleppen, aber sicher ist das noch nicht.

Nutzen lässt sich das Leuchten dennoch, wie Empa-Wissenschaftler Francis Schwarze jüngst bewies: Er fand und erforschte einen besonders stark strahlenden Hallimasch, mit dem Ziel, dessen Leuchten zu kontrollieren. Inzwischen hat er Pilz-Holz-Hybride ent­wickelt, die sich über zehn Monate immer wieder zum Leuchten bringen lassen, indem die Feuchtigkeit des Holzes reguliert wird. «Damit wollen wir einen Mehrwert für das Holz schaffen, damit es künftig nachhaltiger genutzt wird», erklärt er. Bisher klappt das mit dem besonders leichten Balsaholz. Schwarze plant aber auch einheimische Laubhölzer auf diese Weise zu veredeln. Daraus könnten Möbel oder Designstücke entstehen, etwa ökologische Nachtlichter oder sogar Schmuck.

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Sie brachte es zum Nobelpreis

Qualle bringt sich selbst zum Fluoreszieren.

Aequorea victoria heisst sie. Die Qualle lebt im Pazifischen Ozean, vor allem vor der nordamerikanischen Küste. Ihr Einfluss reicht aber bis nach Stockholm, wo der Nobelpreis für Chemie verliehen wird. Im Gegensatz zu den allermeisten anderen lumineszierenden Organismen produziert diese Qualle ihr Licht nicht mittels des Luciferin-Luciferase-Mechanismus, sondern mithilfe eines Proteins namens Aequorin. Wird dieses durch Kalzium aktiviert, strahlt es blaues Licht aus. Dadurch leuchten die vielen kleinen Fortsätze am Rand des Quallenkörpers. Zusätzlich kann das Aequorin durch sein Strahlen ein weiteres Protein aktivieren, das Grün Fluoreszierende Protein (GFP).

Anders als bei Lumineszenz braucht es bei Fluoreszenz eine Anregung, damit das Leuchten entsteht. Das GFP etwa lässt sich durch blaues, aber auch durch UV-Licht anregen. Heute weiss man: Wird es im Labor an ein Protein gebunden, das man untersuchen möchte, zeigt das GFP unter UV-Strahlung an, wo sich das gesuchte Protein befindet. Für diese Entdeckung und die Untersuchungen des GFP hat Biochemiker Osamu Shinomura 2008 den Nobelpreis erhalten. Inzwischen ist das GFP zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel in molekularbiologischen Labors weltweit geworden.

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Das Licht kam mit den Augen

Korallen leuchteten bereits vor Jahrmillionen.

Schon Aristoteles beobachtete vor über 2300 Jahren, dass lebende Organismen selbst Licht erzeugen können. In «De Anima» beschrieb er ein «kaltes Licht», das aus dem Meer kommt. Heute wissen wir, dass dieses Meeresleuchten von Bakterien stammt. Die Biolumineszenz selbst ist viel älter. Wie alt, ist durch eine Studie von 2024 klarer geworden. Darin hat ein internationales Forschungsteam die Evolutionsgeschichte von sogenannten Oktokorallen untersucht. Das Team analysierte einen umfangreichen Gendatensatz sowie Fossilienfunde der achtstrahligen Tiefseekorallen und entdeckte dadurch, dass diese ihre Fähigkeit zur Biolumineszenz vor etwa 540 Millionen Jahren bildeten – passenderweise zu einer Zeit, in der die ersten Tierarten Augen ent­wickelten. Zuvor galten die Ostrakoden, eine Gruppe von winzigen Krebstieren, als Bio­lumineszenz-Erfinder vor 267 Millionen Jahren. Gesamthaft haben Organismen aus über 800 Gattungen die Leuchtfähigkeit mehr als hundert Mal unabhängig voneinander entwickelt.