ENTZÜNDUNGEN
Zahnfleisch auf Chip gegen Parodontitis
Ein neuartiges Modell für Parodontitis soll Erkenntnisse über Verlauf und Folgen dieser schmerzhaften Entzündung liefern.

Zwanzig bis vierzig Prozent der Bevölkerung leiden an einer Entzündung des Zahnfleisches. | Foto: Jim Stevenson / Keystone
Seit einigen Jahren ist es möglich, im Labor Mini-Organe zu züchten, in denen sich die wesentlichen Strukturen der echten Vorbilder finden: im Mini-Darm etwa jene des Verdauungskanals, in der Mini-Plazenta jene des Mutterkuchens. Manche Forschende übertragen solche allerkleinsten Gebilde nun auch auf Mikrochips − so zum Beispiel erstmals einen Gewebewürfel aus Zahnfleisch mit Blutgefässen und Zellen der Wurzelhaut, wie die Chemikerin und Bioanalytikerin Petra Dittrich von der ETHZürich berichtet. Auf den winzigen Chips können sie das Gewebe mit Flüssigkeit und Nährstoffen durchströmen lassen.
«Dieses Modell soll dabei helfen, die Entstehung, den Verlauf und die Behandlung einer Parodontitis besser zu verstehen», erklärt Dittrich. Immerhin leiden zwanzig bis vierzig Prozent der Bevölkerung an einer Entzündung des Zahnfleisches. Die Zahnmedizin weiss auch, dass eine Parodontitis bei Schlaganfällen und Herzinfarkten eine Rolle spielen kann, womöglich ebenfalls bei einer frühen Entstehung von Alzheimer- Demenz. «Wir wissen zwar schon viel darüber, wie eine Parodontitis entsteht, jedoch nicht, wie sie sich auf andere Organe auswirkt», so Dittrich.
Für das Projekt brachte ihr Team gemeinsam mit dem Oralbiologen Thimios Mitsiadis von der Universität Zürich die Zellen aus der Wurzelhaut eines gesunden menschlichen Zahns mit Zellen zusammen, die für die Entwicklung von Blutgefässen wichtig sind. In einem Hydrogel wuchs aus den beiden Zelltypen ein wenige Millimeter hoher Würfel aus Gewebe der Wurzelhaut des Zahnes heran. «In diesem Gewebe können wir die Entzündungsabläufe wie im menschlichen Körper simulieren», erklärt Dittrich. In flachen und zweidimensionalen Zellkulturen dagegen wäre das nicht möglich. Auf ihrem Mikrochip kann die Chemikerin nun unter kontrollierten Bedingungen genauestens beobachten, wie die Entzündung abläuft und wie sich das Gewebe dabei verändert. Die ersten Experimente dazu sind bereits vielversprechend verlaufen.