Foto: zVg

Jasagt Stephanie Dawson, Geschäftsführerin von Science Open.

Foto: Sarah Wiltschek

Neinsagt Martin Reinhart, Professor am Robert-K.-Merton-Zentrum für Wissenschaftsforschung.
Peer-Review ist mehr und mehr zum Garanten für die Korrektheit, Integrität und Vertrauenswürdigkeit von Forschungsergebnissen geworden. Ich bin überzeugt, dass die Offenlegung der Identität der Gutachtenden das Vertrauen in den wissenschaftlichen Prozess weiter stärken kann.

In der Anfangszeit der Open-Access-Bewegung war ein gegnerisches Hauptargument: Wenn die Forschenden für die Veröffentlichung ihrer Artikel zahlen müssen, verleitet das die Fachzeitschriften zu laschem Peer-Review und dazu, mehr minderwertige Artikel zu publizieren. Die neuen Open-Access-Journals wollten dieses Argument mit einem strengen Review entkräften, weshalb sie die Gutachtenden nun namentlich aufführen. Eine revolutionäre Taktik! Niemand konnte mehr behaupten, dass diese Zeitschriften unerfahrene Gutachtende einsetzten.

«Die Namensnennung war der Beweis für einen seriösen Prozess, denn dadurch stand jeweils der Ruf der betreffenden Person auf dem Spiel.»

Die Namensnennung war der Beweis für einen seriösen Prozess, denn dadurch stand jeweils der Ruf der betreffenden Person auf dem Spiel. Für Open Access war die Offenlegung der Identität entscheidend, um Glaubwürdigkeit zu schaffen – eine Lektion für alle Fachzeitschriften.

In Zukunft könnte die Preprint-Kultur wegweisend sein für diese Frage: Seit zehn Jahren stellen immer mehr Forschende eine frühe Version ihrer Arbeit als Preprint online. Diese öffentlich zugänglichen Artikel können auf Plattformen geteilt, diskutiert, zitiert und kritisch kommentiert werden – begonnen bei einfachen Tweets bis hin zu vollwertigen Reviews etwa auf Pre Review oder Scienceopen.

In solch offenen Systemen kommt es auf die Identität der Gutachtenden an, denn hinter fundierten Kenntnissen steht jahrelange harte Arbeit: Es spielt eine Rolle, ob ein Kommentar von einer führenden Wissenschaftlerin mit viel Erfahrung oder einem jungen Forscher mit sehr punktuellen Kenntnissen stammt.

Vertrauen in die Forschenden, den wissenschaftlichen Prozess und die veröffentlichten Daten ist zentral, damit wir die Herausforderungen in einer zunehmend globalisierten und dezentralisierten Welt bewältigen können. Gutachtende sollen zu ihren Reviews stehen.

Stephanie Dawson ist Geschäftsführerin von Science Open, einem Start-up, das Open-Access- Verlage und Forschende vernetzt und Ideen für wissenschaftliches Publizieren entwickelt.

Die Identifizierung von Gutachtenden im Peer-Review ist eine schlechte Antwort auf eine falsch gestellte Frage. De-Anonymisierung mag Vertrauen fördern, aber bringt es eine bessere Begutachtung her? Böswillige, unsorgfältige oder anderweitig für die Gutachtenden selbst peinliche Reviews sind die Ausnahme.

Weiter verbreitet sind hingegen eine Vielzahl von Bias, denen die Gutachtenden unterliegen. Manche davon sind wissenschaftlich gerechtfertigt, wie etwa strengere Urteile im Spezialgebiet, manche davon sind es nicht, wie etwa sprachliche Geschmacksurteile. Gutachtende können solche Bias jedoch nicht ein- oder ausschalten, egal, ob ihre Identität offen- gelegt ist oder nicht.

Falsch gestellt ist die Frage, da Probleme an individuellen Verantwortlichkeiten festgemacht werden. Das Peer- Review ist schon lange kein aristokratisches – peerage bezeichnet den englischen Hochadel – Zensurinstrument mehr wie in seinen historischen Anfängen. Peer-Review ist zur verfahrensförmig organisierten Bewertungsinfrastruktur geworden, über die moderne Wissenschaftssysteme gesteuert werden. Aristokratisch geblieben ist nur der Anspruch auf Kollegialität: Wen ich heute wohlwollend begutachte, der begutachtet mich morgen auch wohlwollend.

«Das wäre ein sinnvoller Einsatz für Lotterien: zur zufallsbasierten und damit diverseren Auswahl von Gutachtenden.»

Berechtigt ist hingegen die Kritik, dass die Gutachtenden zu wenig divers sind. Dies zu beheben, ist aber keine Frage der Transparenz, sondern der Kosten und der Motivierung. Motiviert zur Begutachtung ist nur, wer intrinsisch eine dauerhafte Zukunft mit guten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sieht oder extrinsisch durch Karrierefortschritt oder Bezahlung belohnt wird. Einfacher wäre die gezielte Rekrutierung marginalisierter Gruppen.

In der Wissenschaft hiesse das aber, nicht nur auf Geschlechter-, Alters- oder Nationalitätsquoten zu achten, sondern auch auf marginalisierte Theorien, Methoden, Fragestellungen oder Disziplinen, die nicht simplistischen Exzellenzkriterien entsprechen. Wenn es in der Wissenschaft einen sinnvollen Einsatz für Lotterien gibt, dann beim Peer-Review: zur zufallsbasierten und damit diverseren Auswahl von Gutachtenden.

Martin Reinhart ist Professor am Robert-K.- Merton-Zentrum für Wissenschaftsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zu Begutachtungsverfahren in der Wissenschaft und Peer-Review.

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Jasagt Stephanie Dawson, Geschäftsführerin von Science Open

Peer-Review ist mehr und mehr zum Garanten für die Korrektheit, Integrität und Vertrauenswürdigkeit von Forschungsergebnissen geworden. Ich bin überzeugt, dass die Offenlegung der Identität der Gutachtenden das Vertrauen in den wissenschaftlichen Prozess weiter stärken kann.

In der Anfangszeit der Open-Access-Bewegung war ein gegnerisches Hauptargument: Wenn die Forschenden für die Veröffentlichung ihrer Artikel zahlen müssen, verleitet das die Fachzeitschriften zu laschem Peer-Review und dazu, mehr minderwertige Artikel zu publizieren. Die neuen Open-Access-Journals wollten dieses Argument mit einem strengen Review entkräften, weshalb sie die Gutachtenden nun namentlich aufführen. Eine revolutionäre Taktik! Niemand konnte mehr behaupten, dass diese Zeitschriften unerfahrene Gutachtende einsetzten. Die Namensnennung war der Beweis für einen seriösen Prozess, denn dadurch stand jeweils der Ruf der betreffenden Person auf dem Spiel. Für Open Access war die Offenlegung der Identität entscheidend, um Glaubwürdigkeit zu schaffen – eine Lektion für alle Fachzeitschriften.

«In offenen Systemen kommt es auf die Identität der Gutachtenden an, denn hinter Fachwissen und fundierten Kenntnissen steht jahrelange harte Arbeit.»

In Zukunft könnte die Preprint-Kultur wegweisend sein für diese Frage: Seit zehn Jahren stellen immer mehr Forschende eine frühe Version ihrer Arbeit als Preprint online. Diese öffentlich zugänglichen Artikel können auf Plattformen geteilt, diskutiert, zitiert und kritisch kommentiert werden – begonnen bei einfachen Tweets bis hin zu vollwertigen Reviews etwa auf Pre Review oder Scienceopen. In solch offenen Systemen kommt es auf die Identität der Gutachtenden an, denn hinter fundierten Kenntnissen steht jahrelange harte Arbeit: Es spielt eine Rolle, ob ein Kommentar von einer führenden Wissenschaftlerin mit viel Erfahrung oder einem jungen Forscher mit sehr punktuellen Kenntnissen stammt.

Vertrauen in die Forschenden, den wissenschaftlichen Prozess und die veröffentlichten Daten ist zentral, damit wir die Herausforderungen in einer zunehmend globalisierten und dezentralisierten Welt bewältigen können. Gutachtende sollen zu ihren Reviews stehen.

Stephanie Dawson ist Geschäftsführerin von Science Open, einem Start-up, das Open-Access- Verlage und Forschende vernetzt und Ideen für wissenschaftliches Publizieren entwickelt.

 


Foto: Sarah Wiltschek

Neinsagt Martin Reinhart, Professor am Robert-K.-Merton-Zentrum für Wissenschaftsforschung

Die Identifizierung von Gutachtenden im Peer-Review ist eine schlechte Antwort auf eine falsch gestellte Frage. De-Anonymisierung mag Vertrauen fördern, aber bringt es eine bessere Begutachtung her? Böswillige, unsorgfältige oder anderweitig für die Gutachtenden selbst peinliche Reviews sind die Ausnahme. Weiter verbreitet sind hingegen eine Vielzahl von Bias, denen die Gutachtenden unterliegen. Manche davon sind wissenschaftlich gerechtfertigt, wie etwa strengere Urteile im Spezialgebiet, manche davon sind es nicht, wie etwa sprachliche Geschmacksurteile. Gutachtende können solche Bias jedoch nicht ein- oder ausschalten, egal, ob ihre Identität offen- gelegt ist oder nicht.

Falsch gestellt ist die Frage, da Probleme an individuellen Verantwortlichkeiten festgemacht werden. Das Peer- Review ist schon lange kein aristokratisches – peerage bezeichnet den englischen Hochadel – Zensurinstrument mehr wie in seinen historischen Anfängen. Peer-Review ist zur verfahrensförmig organisierten Bewertungsinfrastruktur geworden, über die moderne Wissenschaftssysteme gesteuert werden. Aristokratisch geblieben ist nur der Anspruch auf Kollegialität: Wen ich heute wohlwollend begutachte, der begutachtet mich morgen auch wohlwollend.

«Das wäre ein sinnvoller Einsatz für Lotterien: zur zufallsbasierten und damit diverseren Auswahl von Gutachtenden.»

Berechtigt ist hingegen die Kritik, dass die Gutachtenden zu wenig divers sind. Dies zu beheben, ist aber keine Frage der Transparenz, sondern der Kosten und der Motivierung. Motiviert zur Begutachtung ist nur, wer intrinsisch eine dauerhafte Zukunft mit guten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sieht oder extrinsisch durch Karrierefortschritt oder Bezahlung belohnt wird. Einfacher wäre die gezielte Rekrutierung marginalisierter Gruppen.

In der Wissenschaft hiesse das aber, nicht nur auf Geschlechter-, Alters- oder Nationalitätsquoten zu achten, sondern auch auf marginalisierte Theorien, Methoden, Fragestellungen oder Disziplinen, die nicht simplistischen Exzellenzkriterien entsprechen. Wenn es in der Wissenschaft einen sinnvollen Einsatz für Lotterien gibt, dann beim Peer-Review: zur zufallsbasierten und damit diverseren Auswahl von Gutachtenden.

Martin Reinhart ist Professor am Robert-K.-Merton-Zentrum für Wissenschaftsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zu Begutachtungsverfahren in der Wissenschaft und Peer-Review.