Kolumne
Wenn Aussichtslosigkeit die Hoffnung nährt
Erst wenn es keinen Weg mehr zu geben scheint, öffnen wir den Blick für Neues, schreibt Marcel Tanner, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz.
«Es gibt keine hoffnungslosen Situationen, es gibt nur Menschen, die Situationen gegenüber hoffnungslos sind.»
Die Kombination von Wissenschaft und Film stimuliert uns in diesem Magazin. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem uns der Gedanke kommen mag, dass wir «im falschen Film leben»: Nach all den Pandemiejahren sind wir nun Zeuginnen und Zeugen eines Kriegs, den wir nach all dem, was die Menschheit gelernt haben sollte, nicht für möglich erachtet hätten.
Doch schauen wir im Sinne des Leitzitates über die sogenannt hoffnungslosen Situationen hinaus: Es ist nämlich stets eine gewisse Aussichtslosigkeit, die uns weiterblicken und damit Gründe und Wege für neue Hoffnungen finden lässt.
Wir alle engagieren uns derzeit, aus der Pandemie zu lernen und mit den Lehren daraus auch viele andere grosse Fragen wie Klima, Energie und transformative Technologien anzugehen. Die Wissenschaft hat dabei erkannt, wie wichtig es ist, bei der Kommunikation in einer Krise oder Überlebensfrage den gesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen. Das heisst, eine Public-Health- und sozioökologische Sicht zu pflegen und mit entsprechenden Güterabwägungen kontinuierlich und iterativ den Austausch zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren zu führen.
Zentral ist dabei der Dialog von Wissenschaft mit Politik und Gesellschaft. Ausblicke und damit neue Hoffnungen entstehen, wenn wir diesen Übertragungsriemen von der Wissenschaft zur Gesellschaft massiv stärken, indem wir Prozesse und die damit verbundenen Rollen und Verantwortungen aller Beteiligten genau definieren.
Die Wissenschaft muss sich konsequent als Teil der Gesellschaft und nicht im Expertenstatus sehen, zu jedem Zeitpunkt aufzeigen, was sie weiss und auch nicht weiss; also Unsicherheit in Kontext setzen. Nur damit werden stets die Grundlagen für ethisch vertretbare Handlungsoptionen geschaffen, die durch die sozialpolitischen Entscheidungsprozesse zu Interventionen zugunsten der Gesellschaft führen.
Der Übertragungsriemen von Wissenschaft zu Politik und Gesellschaft ist zudem erfolgreich, wenn wir zu einer weniger elitären, aktivistischen und/oder karrieregeprägten Wissenschaftskultur zurückfinden.
In Anlehnung an meine Anerkennung und meinen tiefen Respekt für die naive Malerei meine ich, dass es – in der Wissenschaft, ja überall – nicht darum geht, äusserlich Grossartiges zu leisten, sondern einzig und allein darum, die ganz gewöhnlichen Dinge mit der Anerkennung ihres inneren Wertes zu tun.