Fokus: Wissenschaft im Bundeshaus
Editorial: Im Politdschungel braucht es Beharrlichkeit
Volksvertreterinnen halten lieber an ihren Werten fest, als offen zu sein für Neues. Auch deswegen hat es die Forschung im Bundeshaus bisweilen schwer, vermutet Co-Redaktionsleiterin Judith Hochstrasser.
In diesem Horizonte präsentieren wir Ihnen Aussergewöhnliches: Künstler Christoph Fischer, der unseren Fokus zur Wissenschaft im Bundeshaus illustriert hat, war als Zeichner auf den Pressetribünen in den Ratssälen und in der Wandelhalle ein Exot. Die Mediensprecherin der Parlamentsdienste und ihre Kollegen jedenfalls können sich an keinen anderen Zeichner erinnern.
Der Künstler wurde während der Herbstsession 2022 von ihnen erfreut und kompetent willkommen geheissen. Diese offene Haltung für Neues hat mitgeholfen, die vorliegende Ausgabe zu einer ganz besonderen zu machen.
In den Räumen, wo die politischen Entscheidungen fallen, gibt es klare Regeln dafür, was Journalisten und Fotografinnen – und eben auch Zeichner – dürfen und was nicht. So ist es ihnen etwa erlaubt, von den Pressetribünen das Geschehen zu beobachten, nicht aber, sich in die Ratssäle selbst zu begeben. In der Wandelhalle dagegen sind sie zugelassen. Das dient der Sicherheit aller und gewährleistet den reibungslosen Ablauf im Bundeshaus.
Weniger geordnet ist dagegen, wie Erkenntnisse aus der Forschung in die Köpfe und damit in die Argumente und Entscheidungen der Politiker gelangen. Die Vorgänge sind auch schwierig zu durchschauen. Als wir diesen Fragen nachgingen, haben wir Erstaunliches erlebt: Es brauchte sehr viel Beharrlichkeit, um die Vertreterinnen des Volkes dazu zu bringen, uns zu erzählen, wann Fakten aus der Forschung sie zu einem Meinungsumschwung bewegt haben.
Sie scheinen fein austarieren zu müssen, ob sie den Eindruck erwecken wollen, dass sie zuverlässig an ihren Werten festhalten oder dass sie offen sind für neustes Wissen. Und welcher Eindruck ihnen wichtiger ist. Ausserdem habe ich ein wenig ernüchtert festgestellt: Erkenntnisse aus der Wissenschaft fliessen vor allem über die diffusen Kanäle der Bundesämter und Staatssekretariate in politische Vorgaben ein. In den politischen und juristischen Debatten zu neuen Gesetzesvorlagen im Parlament sind sie dagegen erodiert.
Die Recherche hat deutlich gemacht: Auch Forschende müssen beharrlich sein, um ihre Erkenntnisse real in die Gesellschaft einzubringen. Also brüllt gut, ihr Löwinnen und Löwen!