Junge Meinung
«Wir brauchen eine neue Kultur der Zusammenarbeit»
Forschung sei nicht die Leistung einzelner genialer Wissentschaftlerinnen, sondern immer schon Gemeinschaftsarbeit gewesen. Davon ist die neue Horizonte-Kolumnistin und Doktorandin in Amerikanistik Hannah Schoch überzeugt.

Hannah Schoch engagiert sich unter anderem an der Universität Zürich für den Akademischen Nachwuchs. | Illustration: Stefan Vecsey
Auf einem von Doktorierenden und Postdocs organisierten Podium diskutierten wir die Frage: Wie können wir eine bessere Kultur der Zusammenarbeit entwickeln – in einem auf Konkurrenz ausgerichteten System? Es hat für mich ein weiteres Mal bestätigt, dass die jüngere Generation eine neue Kultur wünscht – und dies ziemlich unabhängig von der Disziplin. Demgegenüber stand ein früheres Gespräch mit einer eminenten Runde an Professoren, die befanden, dass Forschung, spätestens beim Verfassen der Texte, halt doch Arbeit des Einzelnen sei.
Gerade in den Geisteswissenschaften ist das Bild der genialen Forscherin mit ihren brillanten Ideen noch tief verankert. Dabei geht gerne vergessen: Forschung war immer schon Gemeinschaftsarbeit. Wir bauen unser Werk auf der vorangegangenen Arbeit anderer auf und entwickeln diese im besten Fall auch im fortwährenden Austausch mit Kolleginnen und Studierenden weiter. Dies hilft nicht zuletzt, die eigenen blinden Flecken aufzudecken.
Was wir bisher gut kennen, sind Kooperationen, bei denen Daten ausgetauscht, das Schreiben von Kapiteln aufgeteilt, zwischendurch Forschungsresultate einander gezeigt oder Feedbacks entgegengenommen werden. Mit zwei Kollegen aus Deutschland sitze ich im Moment an einer Sonderausgabe eines Journals. Wir gehen einen Schritt weiter: Die Einleitung haben wir gleichzeitig in einem geteilten Dokument geschrieben.
So konnten wir sofort aufeinander reagieren, uns ergänzen und abgleichen. Es bedeutet intensives Arbeiten, da man sich immer gleich der Rückmeldung der anderen aussetzt. Multiperspektivität und Konfliktfähigkeit sind gefragt. Eine Kultur der Wertschätzung, der Offenheit und des Respekts ist zwingend. Die Leistungen der Einzelnen treten dabei natürlich in den Hintergrund.
Auf dem Podium waren wir uns einig: Gute Zusammenarbeit motiviert – und bringt Resultate. So wurde auch unsere Ausgabe des Journals ohne weitere Überarbeitung zur Publikation empfohlen. Leider fehlen im Hamsterrad des heutigen Forschungssystems meist Zeit und Raum, eine solche Kultur der Zusammenarbeit zu entwickeln und einzuüben.