Mit Low Cost ins Weltall
Nanosatelliten wiegen ein Kilogramm, kosten nicht mehr als ein Auto und sollen den Zugang zum Weltraum demokratisieren. Forschende und Produzenten aus der Schweiz sind mit dabei.
Die Raumfahrtszene ist in Aufruhr: Es bahnt sich so etwas wie eine Demokratisierung des Weltalls an – jedenfalls in tiefen Erdumlaufbahnen. Schon seit einigen Jahren wird an zahlreichen Hochschulen mit sogenannten Nanosatelliten experimentiert. In den kommenden Jahren dürften sie den kommerziellen Durchbruch erleben, und die Schweiz spielt dabei eine wichtige Rolle.
Zum Beispiel die Jungunternehmer der Firma Astrocast aus Lausanne: Sie wollen mit Nanosatelliten zu einem weltumspannenden Datennetz für das Internet der Dinge beitragen. Die geplanten Kleinstbandbreiten von rund einem Kilobyte pro Tag bieten eine entsprechend günstige Technik. Erste kommerzielle Deals sind abgeschlossen, momentan ist man auf der Suche nach einem Partner, der auch Low-Cost-Transporte anbieten kann. Tatsächlich ist die Konstruktion von Kleinsatelliten schon so weit Routine, dass die Beförderung ins Weltall momentan teurer ist als der Satellit an sich.
Low Cost – das ist das magische Stichwort dieses «New Space Movement". «Bis anhin waren Weltraummissionen den grossen staatlichen Agenturen vorbehalten", sagt Markus Rothacher, Professor für mathematische und physikalische Geodäsie an der ETH Zürich. «Heute aber sind eigene Satelliten für jede Uni oder auch für kleinere Unternehmen realisierbar.»
Unabhängiges GPS
Der EPFL-Spin-off Astrocast stützt sich auf das Know-how des Swisscube. Dieser war 2009 der erste und bis heute einzige von Schweizer Hochschulen lancierte Kleinsatellit. Eigentlich hätte längst ein Nachfolgesatellit starten sollen, doch das Projekt CubETH der ETH Zürich und der EPFL kommt nicht recht vom Fleck. Geplant war, einen zehn Zentimeter grossen Würfel zu bauen, um ein simples globales Navigationssatellitensystem unabhängig vom amerikanischen GPS zu testen. Dabei handelt es sich nicht um einen speziell für den Weltraum gebauten Empfänger, sondern um Technologie «von der Stange»: Die ETH-Forscher untersuchen derzeit, ob die in Grossserien gefertigten GNSS-Chips der Thalwiler Firma U-Blox für die unwirtlichen Bedingungen im All taugen. Die Vakuumkammer von Ruag Space haben sie schon unbeschadet überstanden, die Strahlungstests am Paul-Scherrer-Institut sind im Gang.
Dieser Chip ist für die Astrocast-Mission von zentralem Interesse, und er wird 2017 auf den ersten Flügen des Lausanner Spin-off getestet. Astrocast wird in den nächsten Jahren insgesamt 64 Kleinsatelliten in eine tiefe Erdumlaufbahn schicken, für eine lückenlose Abdeckung der ganzen Erdoberfläche. «Das Ziel ist primär, kommerzielle Anwender wie Transportunternehmen oder Hersteller von Messsystemen zu gewinnen», sagt CEO Fabien Jordan. Er hofft aber, dass auch Forscher aus einer Vielzahl von Disziplinen von Meteorologie bis Biologie zu den Nutzern der Infrastruktur gehören werden, beispielsweise wenn grossflächig und automatisch Daten aus Wüsten- oder Eisregionen gesammelt werden sollen. Mit weiteren Sensoren wird sich eine Vielzahl von Anwendungen etwa für Tsunamiwarnsysteme auftun.
Internet aus dem All
Michael Swartwout von der University St. Louis, der die Nanosatelliten-Entwicklung mit einer Online-Datenbank dokumentiert, sieht noch lange keinen Rückgang des raschen Wachstums, das seit 2014 eingesetzt hat. Schätzungen gehen von Tausenden von Kleinsatelliten bis ins Jahr 2020 aus, die meisten davon für die Telekommunikation. So will das Unternehmen Oneweb bis ins gleiche Jahr eine Konstellation von 648 Satelliten im All haben, um die ganze Welt mit Internet zu versorgen. Einen ähnlichen Plan verfolgt auch Tesla-Gründer Elon Musk. Im November gab Oneweb bekannt, wer die Satelliten herstellen wird: die schweizerische Ruag. Es ist ein prestigeträchtiger, wenn auch – Low Cost verpflichtet – nicht unbedingt milliardenschwerer Deal. In der Schweiz werden die über 600 Satelliten für gerade mal 20 Millionen Franken gebaut werden. Das sind 33 000 Franken pro Stück: ein Satellit für den Preis eines Mittelklasseautos.
Roland Fischer ist freier Wissenschaftsjournalist in Bern.