Kleine Massnahmen gegen überflüssiges Fett
Viele verbringen die meiste Zeit des Tages sitzend. Forschende der Universität Freiburg untersuchen, wie viel Energie wir verbrennen könnten, wenn wir stattdessen stünden.
Trotz breitangelegter Kampagnen sind fast zwei Drittel der Erwachsenen in Schweiz übergewichtig – Trend zunehmend. Damit steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und sogar für einige Krebsarten. Viele versuchen, ihr überflüssiges Fett mit Sport zu verbrennen.
Doch auch die Mehrheit der weniger athletischen Mitbürger kann ihr Gewicht durch Bewegung kontrollieren. Für sie studieren Abdul Dulloo, Professor für Ernährungsphysiologie, und seine Gruppe an der Universität Freiburg den Energieverbrauch von normalen Tätigkeiten: «Bisher konzentrierten sich die meisten Studien auf intensive Aktivitäten, die etwa fünf bis zwölf Mal so viel Energie benötigen wie Liegen und Sitzen. Im Alltag überschreiten wir jedoch nur selten das Vierfache der Intensität.»
Die Experimente der Forschenden (siehe «Kalorienverbrauch messen») zeigen, dass wir bereits im Stehen durchschnittlich zehn Prozent mehr Energie verbrauchen als im Sitzen. Doch sie fanden auch heraus, dass Stehen nur bei einer von vier Personen den Umsatz tatsächlich erheblich ankurbelt. «In all den von uns gemessenen Aktivitäten verbrauchen die Menschen stark unterschiedliche Energiemengen», erklärt Dulloo. Dies lasse sich nicht ausschliesslich auf das Alter oder das Gewicht zurückführen. Sogar Menschen mit Adipositas seien untereinander ganz verschieden.
Individuelle Prävention ist das Ziel
Die Forschenden suchten den Grund für die Unterschiede im Stehen. Verbrauchen Leute mehr Energie, wenn sie ihr Gewicht häufig von einem Bein auf das andere verlagern? Die enttäuschende Antwort ist: nein, auch dies konnte die individuellen Unterschiede nicht erklären. «Um wirklich mehr zu verbrennen, müssen die Menschen ganze Schritte machen», so Dulloo. Wenn die kleinen Unterschiede einmal verstanden sind, so hofft er, könnten die Strategien gegen das Übergewicht individuell angepasst werden.
Noch ist es schwierig, mit nationalen Gesundheitsstrategien die Richtigen zu treffen, sagt Sigrid Beer vom Institut für Sozial- und Präventivmedizn der Universität Bern: «Mit Vorbeugemassnahmen muss ich die Bevölkerungskreise erreichen, die noch gar nicht betroffen sind, aber auch jene, die sich ihres Problems noch nicht bewusst sind.» Erst wenn sich eine Person in Behandlung befindet, werden heute individuelle Verhaltensänderungen in Betracht gezogen.
Dabei können Diäten bei den falschen Personen sogar der Auslöser für eine folgende Gewichtszunahme sein. Wenn die magere Körpermasse von Normalgewichtigen abnimmt, reagiere der Körper als Gegenreaktion mit einem Energiespar- und –aufnahmeprogramm, sagt Dulloo. Zusätzlich sinkt der Spiegel des Hormons Leptin, das den Fetthaushalt reguliert und indirekt den Appetit zügelt.
Gleichzeitig verbringen immer mehr Menschen acht Stunden am Tag sitzend vor dem Bildschirm. «Wir erleben eine Erosion unserer täglichen körperlichen Aktivität. Dann wollen wir dies mit Sport kompensieren. Es reicht aber nicht, ein wenig zu joggen und dann den ganzen Tag herumzusitzen», so Dulloo.
Florian Fisch ist Wissenschaftsredaktor beim SNF.
J. L. Miles-Chan et al.: Standing economy: does the heterogeneity in the energy cost of posture maintenance reside in differential patterns of spontaneous weight-shifting? European Journal of Applied Physiology (2017)A. G. Dulloo: Collateral fattening: When a deficit in lean body mass drives overeating. Obesity (2017)